© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Mehr Solidarität der Regierung Merkel bitte
Illegale Migration: Italien sieht sich von Frankreich und vor allem Deutschland mißverstanden und allein gelassen
Francesco Giubilei

Nicht selten zeigt sich die Europäische Union variabel. Gesetze können sich ändern. Regeln werden unterschiedlich ausgelegt. Wenn sich aber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel einig sind, gibt es nur eine Richtung. Als sich nun aber die italienische Regierung – wie etwa im Falle der deutschen NGO Sea Watch und ihrer Kapitänin Carola Rackete – anschickte, gültige Gesetze anzuwenden, war und ist die Kritik groß. 

Eines sei gleich angemerkt: Niemand möchte, daß zu See Menschen sterben, aber wenn eine NGO Migranten aufnimmt, muß sie vor Eintritt in die Hoheitsgewässer eines souveränen Staates (ob nun Italien, Malta oder Spanien) das Einverständnis der zuständigen Behörden haben, anderenfalls bricht sie das Gesetz und begeht eine Straftat. 

Man stelle sich vor, eine italienische NGO wäre ohne Erlaubnis der deutschen Behörden in den Hamburger Hafen eingedrungen, hätte ein Schnellboot der Küstenwache gerammt und danach Migranten angelandet. Wie hätte sich die Bundesregierung verhalten? Hätte man dem Kapitän einen Preis verliehen, wie es die Stadt Paris tat, oder wäre der Schiffsführer wegen Rechtsbruches verhaftet worden?

Die italienischen Bürger hätten sich von der Regierung Merkel Solidarität und Nähe erwartet, diese hat aber stattdessen lieber Carola Rackete verteidigt. So hat sich das italienische Volk von einigen EU-Mitgliedstaaten verlassen gefühlt, was wiederum den sogenannten „Souveränisten“-Parteien wie der Lega oder der Fratelli d’Italia neuen Aufwind beschert.

Berlins Anti-Salvini-Politik nützt nur der Lega 

Dazu kommt eines der Hauptprobleme bei der Einwanderung über das Mittelmeer: die Anwesenheit von Schleusern und Menschenhändlern. Die einzige Weise, um sie effektiv zu bekämpfen, ist die Förderung einer humanitären Politik, die neben den europäischen Verträgen auch die Gesetze der einzelnen Mitgliedsstaaten anerkennt.

Unser Appell an die deutschen Politiker: Sie müssen verstehen, daß die Ankunft illegaler Einwanderer über das Mittelmeer nicht nur eine italienische Sorge, sondern eine europäische ist, da Italien das Tor zu Europa ist und bei diesem Migrationsnotstand nicht allein gelassen werden darf. 

Die Zustimmungszuwächse von Matteo Salvinis Lega und der konservativ-souveränistischen Partei Fratelli d’Italia unter der Führung von Giorgia Meloni entstammen der Ablehnung der Mehrheit der Italiener – wenn man auch einen Teil der Wähler von Berlusconis Forza Italia und des Movimento Cinque Stelle dazurechnet –  gegenüber der Einwanderungspolitik der EU und der Enttäuschung über die Äußerungen der Regierungen Deutschlands und Frankreichs. 

Die souveränistischen Parteien Italiens wünschen keinen Austritt aus der EU oder aus dem Euro, wie einige linke Autoren behaupten. Im Gegenteil ist ihnen die Notwendigkeit eines Verbleibs in der Europäischen Union absolut bewußt, jedoch müssen sich einige Positionen – insbesondere der Europäischen Kommission – drastisch ändern. 

Um dies zu ermöglichen, ist eine Haltungsänderung der deutschen Regierung nötig. Die Entscheidung Angela Merkels und der CDU, jegliche Kooperation mit den souveränistischen Parteien im Europäischen Parlament auszuschließen, ist eine Ablehnung der heute in Italien mehrheitsfähigen politischen Kräfte. Dies wird den Italienern nur schwer verständlich sein, die sich eine stärkere deutsch-italienische Zusammenarbeit wünschen.






Francesco Giubilei ist Präsident der konservativen Bewegung Nazione Futura und der Stiftung Fondazione Tatarella.