© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

„Wie leicht kommt man zu einem Hausdurchsuchungsbefehl?“
Glücksspielbranche: Die FPÖ-Politiker und Manager im Visier der Korruptionsstaatsanwaltschaft / Anonyme Anzeige als Munition im Nationalratswahlkampf?
Verena Rosenkranz

Nach der Ibiza-Affäre (JF 32/19) steht der österreichische Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache erneut im Licht der Medien. Ihm und weiteren Funktionären der Freiheitlichen (FPÖ) wird vorgeworfen, daß bei einer Postenvergabe nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Auch wenn selbstverständlich für Strache und alle nachfolgend erwähnten Personen die Unschuldsvermutug gilt: Ungewöhnlich wäre das nicht. Österreichs Wirtschaft ist zwar nicht mehr wie einst zu einem Fünftel in Staatshand, aber trotz Privatisierungen haben Regierungspolitiker in der Wirtschaft noch einiges mitzureden.

Zudem ist am 29. September Nationalratswahl. Da paßt es vielen gut ins Konzept, daß nach einer anonymen Anzeige die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowohl gegen den zurückgetretenen FPÖ-Chef Strache als auch den ehemaligen Fraktionschef Johann Gudenus, den Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs sowie den Vorstandschef des Glücksspiel-Konzerns Novomatic, Harald Neumann, ermittelt.

Ihnen wird vorgeworfen, einen Deal eingefädelt zu haben, um den FPÖ-Politiker Peter Sidlo zum Finanzvorstand Casinos Austria AG (Casag) zu machen. Im Gegenzug soll Novomatic (besitzt einen 17-Prozent-Anteil der Casag) angeblich versprochen worden sein, begehrte Lizenzen im Spielebereich wieder einzuführen. Also da, wo die Casag ein Monopol hat. Kolportiert wurde zudem, daß in Wien das kleine Glücksspiel wieder zugelassen werde, sollte die FPÖ in die Landesregierung einziehen. Die Republik Österreich besitzt ein Drittel der Casag, zudem sind Spielbanklizenzen ebenso eine öffentliche Angelegenheit wie die einträgliche Glücksspielabgabe. Die Justiz bestätigt die Stoßrichtung der Ermittlungen. Es gehe um den Verdacht, daß zwischen Verantwortlichen eines Glücksspielunternehmens und Amtsträgern im Gegenzug für die Besetzung eines bestimmten Kandidaten einer AG die parteiische Vergabe von Glücksspiellizenzen vereinbart worden sei.

„Natürlich stimmt sich eine Regierung ab!“

Ursprünglich wurde der Finanzmanager Sidlo am 1. März zusammen mit ÖVP-Vize Bettina Glatz-Kremsner in den Aufsichtsrat der Nationalbank (OeNB) entsandt. Am 1. Mai erfolgte der Aufstieg Sidlos zum Casag-Finanzchef. Personalberater kritisierten aber, daß Sidlo keine ausreichenden Erfahrungen für den Posten hätte. Um den FPÖler dennoch in den Vorstand zu hieven, brauchte die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung Verbündete, welche sich bei Novomatic fanden –  aus welchen Gründen, ist Gegenstand der Ermittlungen. 

Die Betroffenen weisen alle Vorwürfe zurück. Der Prominenteste startete jüngst einen Gegenangriff: „Die anonyme Anzeige ging am 21. Mai 2019 ein, und erst im Juli wurden Ermittlungen aufgenommen. Rechtzeitig vor der Nationalratswahl finden dann fragwürdige Hausdurchsuchungen – ausschließlich bei den vier in der anonymen Anzeige genannten FPÖ-nahen Politikern – statt“, erklärte Strache via Facebook.

Zudem sei in der Anzeige auch von „roten Zuwendungen“ die Rede. Hier werde „offensichtlich nicht ermittelt und es fanden auch keine Hausdurchsuchungen bei SPÖ-nahen Personen statt“, wundert sich Strache. Auch diverse ÖVP-Politiker kämen vor: Der Ex-Bundeskanzler und er würden „auch in einem Satz gemeinsam im Zusammenhang einer personellen „Abstimmung“ erwähnt. „Ja, natürlich stimmt sich eine Regierung ab! Diese ‘Abstimmung’ wird bei mir zum Anlaß für eine Hausdurchsuchung kreiert, während bei Sebastian Kurz keine Ermittlungen und keine Hausdurchsuchung stattgefunden hat, weil es eben kein Substrat und keine Plausibilität gibt“, so Strache.

Und tatsächlich war es in der Vergangenheit jahrzehntelang üblich, begehrte Posten mit SPÖ- und ÖVP-Personen zu besetzen oder undurchsichtige Geldflüsse zumindest stillschweigend zu tolerieren. Die Liste der österreichischen Korruptionsaffären ist lang – ob das aber auch für die Casag-Affäre gilt, ist längst nicht ausgemacht. Die Novomatic hält die Vorwürfe für völlig haltlos: „Die Vergabe von Glücksspielkonzessionen ist in Österreich überhaupt nur möglich, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür besteht, und auch dann nur im Rahmen einer internationalen, transparenten und öffentlichen Ausschreibung.“ Und Novomatic-Anwalt Walter Schwartz fragte in der Presse: „Wie leicht kommt man in dieser Republik eigentlich zu einem Hausdurchsuchungsbefehl? Reicht jede verquere Behauptung in einer anonymen Anzeige aus, um ins verfassungsgesetzlich geschützte Hausrecht einzugreifen?“