© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Zeitschriftenkritik: Pommern
Bildungshistorische Zeitreisen
Dirk Glaser

Dem Konkurs des Pommerschen Zentralverbands konnte sich die Zeitschrift Pommern 2017 zwar glücklich entziehen und sich unter die Fittiche des Vereins Pommerscher Greif flüchten. Aber mit dem pünktlichen Erscheinen hapert es nach dem Neustart noch. So traf auch Heft 1 des Jahrgangs 2019 statt zum Frühlings- erst zum Sommeranfang bei den Abonnenten ein. Die für ihre Geduld allerdings reichlich entschädigt werden. Ein Lob, das Form und Inhalt gleichermaßen zu spenden ist. So bescheren die alten Stadtansichten, Seestücke, Grundrisse und Luftaufnahmen, die den Beiträgen zur frühneuzeitlichen Beschreibung der mecklenburgisch-pommerschen Grenze und zu den Stralsunder Befestigungsanlagen gewidmet sind, nicht allein ästhetisch anspruchsvollen Freunden der Kartographie eine Augenweide. Sie dürften auch jene neugierig machen, die solchen Spezialthemen eigentlich fernstehen.

Mit Reproduktionen von dessen Federzeichnungen und Linolschnitten, die Genreszenen im Stettiner Hafen genauso akkurat wiedergeben wie die Hinterhöfe der Provinzhauptstadt, wartet das Porträt einer Doppelbegabung auf, den Pastor und Zeichner Wolfgang Marzahn (1911–1988). Der in der Bekennenden Kirche aktive Anhänger Dietrich Bonhoeffers engagierte sich nach der Vertreibung aus dem Kreis Rummelsburg stark in der Kulturarbeit der Landsmannschaft, als Künstler und heimatkundlicher Publizist.   

Der mit Marzahn gesetzte literatur- und kulturgeschichtliche Schwerpunkt des Heftes bleibt dann mit den übrigen Aufsätzen gewahrt. Kay von Wedel vom Gut Schwerin im Kreis Regenwalde, einer der letzten lebenden Abiturienten, blickt zurück auf die 1919 in Misdroy/Wollin gegründete Internatsschule für Kinder vor dem Bolschewismus geflohener Baltendeutscher, die sich bis 1945 zur elitären Erziehungsanstalt für den Nachwuchs des pommerschen Adels wandelte. Weiter geht es mit einem vergessenen und einem überaus präsenten Autor: Bernhard Trittelvitz (1879–1969), dem Arzt und plattdeutschen Schriftsteller, und Theodor Fontane (1819–1898). Zum 200. Geburtstag des „märkischen Wanderers“ begibt sich Erwin Rosenthal auf Spurensuche in Swinemünde, wo Fontane einen Teil seiner Kindheit verlebte. Und stößt auf eine freundliche Geste, zu werten wohl als kleine Wiedergutmachung der Austilgung alles Deutschen in den Jahrzehnten nach der polnischen Annexion Hinterpommerns. Dort wo im Zentrum des Seebades die 1955 abgerissene väterliche Adler-Apotheke stand, erinnert eine Gedenktafel an den „bedeutenden deutschen Schriftsteller und Dichter“.

Das Glanzstück aber steuert Varvara Disdorn-Liesen bei mit ihrer „Zeitreise durch die Geschichte der Kirchenbibliothek St. Marien“ im vorpommerschen Barth. Sie führt durch einen 500 Jahre lang gehüteten Bücherschatz und Gedächtnisspeicher im vermeintlich provinziellen Spinnenwinkel, der weit über die engere Region hinaus von der Buch- und Bildungsgeschichte im Ostseeraum zeugt. 

Kontakt: Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte, Herausgeber Pommerscher Greif e. V.. Ein Jahres-Abo für vier Hefte kostet 28 Euro.

 https://zsp.pommerscher-greif.de