© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Das britische Königshaus im Visier
Das IRA-Attentat auf den englischen Admiral Lord Mountbatten hatte eine große propagandistische Bedeutung
Jürgen W. Schmidt

Wie schon öfter vorher verbrachte Admiral of the Fleet Lord Louis Mountbatten den Sommerurlaub in seinem unbewachten Ferienhaus in Sligo in der Republik Irland. Als er nach Urlaubsende am 27. August 1979 auf seiner Yacht Shadow V gerade den in der Bucht von Sligo gelegenen Hafen Mullaghmore verließ, detonierte per Fernzündung nach kaum 300 Metern eine heimlich an Bord angebrachte 25- Kilogramm-Bombe. Die Explosion tötete nicht nur Lord Mountbatten, sondern auch seine Schwiegermutter, einen 14jährigen Enkel und ein Besatzungsmitglied und forderte weitere Verletzte unter seinen Verwandten und den Besatzungsmitgliedern.

Die Terrororganisation IRA hatte im Rahmen einer ganzen Serie heftiger antienglischer Bombenanschläge die Sprengladung an Bord plaziert und insoweit England einen ziemlich schweren Schlag versetzt, weil der Lord in engen Beziehungen zur englischen Königsfamilie stand und in England allgemein beliebt war. Lord Mountbatten hatte als alter sturmerprobter Seemann eine Warnung nicht ernst genommen, welche ihm der Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, Sir Maurice Oldfield, insgeheim zukommen ließ. 

Attentäter wurde nach 19 Jahren freigelassen

Eigentlich war der am 25. Juni 1900 in Windsor Castle geborene Lord Mountbatten gar kein Engländer, sondern von der Geburt her ein Deutscher und entstammte väterlicherseits der Fürstenfamilie Battenberg, mütterlicherseits der Familie der Großherzöge von Hessen. Allerdings anglisierten die Battenbergs während des Ersten Weltkriegs tunlichst ihren deutschen Familiennamen in „Mountbatten“. Der Vater des jungen Mountbatten hatte nämlich bei Kriegsausbruch 1914 wegen seines unpassenden Familiennamens von seinem Amt als Erster See-lord zurücktreten müssen.

Ab 1916 diente der junge Mountbatten gleich seinem Vater als Seeoffizier in der Navy, machte hier schnell Karriere und fungierte schließlich im Zweiten Weltkrieg von 1943 bis 1946 als Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Südostasien. Als ausgebildeter Funkoffizier besaß er ein Faible für technische Neuerungen und führte viele davon in Heer und Flotte ein. Besonders zeichnete sich Mountbatten 1943/44 gegen die Japaner im Burmafeldzug aus und wurde folgerichtig vom britischen König Georg VI. im Jahr 1947 zum Earl Mountbatten of Burma erhoben.

Kurz vorher hatte Mountbatten mit großem Takt die unangenehme Pflicht erfüllt, als letzter Vizekönig von Indien die einstige britische Kolonie in die Unabhängigkeit zu entlassen. Danach diente Mountbatten England von 1955 bis 1959 als Erster Seelord und von 1959 bis 1965 als Chef des britischen Verteidigungsstabes und war Träger des höchsten britischen Ordens, des Hosenbandordens.

Der passionierte Moorhuhnjäger Mountbatten galt als Mann von hoher geistiger Brillianz. Als Onkel von Prinz Philipp, Ehemann der britischen Königin Elizabeth II., verfügte er nicht nur über enge verwandtschaftliche Beziehungen zum britischen Königshaus, sondern stand auch in freundschaftlichen Beziehungen zu seinem Großneffen Prinz Philipp und dessen Sohn Prinz Charles. Insofern besaß das gelungene IRA-Attentat eine große propagandistische Bedeutung, weil sich ab sofort selbst Verwandte des Königshauses nicht mehr als unangreifbar wähnen durften.

Bei der Special Branch von Scotland Yard und im britischen Abwehrdienst MI5 hatte die Suche nach den Attentätern allerhöchste Priorität. Schnell kam man ihnen auf die Spur und bereits am 28. November 1979 wurde der Haupttäter Thomas McMahon zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Im Rahmen des sogenannten Karfreitagsabkommens vom 10. April 1998 erklärte schließlich die Republik Irland ihren Verzicht auf die Vereinigung mit Nordirland und die IRA ihre Bereitschaft zur Entwaffnung. Im Gegenzug ließ die britische Regierung verurteilte IRA-Attentäter frei, worunter sich nach knapp 19 Jahren Haft auch der Mountbatten-Attentäter McMahon befand.