© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Widerspruch gegen eine falsch verstandene Tierliebe
Anders als für die hysterischen „Klimaretter“ war für Horst Stern Umweltschutz kein Instrument zur Gesellschaftsveränderung
Dieter Menke

Angesichts der panischen „Klimaretter“ vom Schlage Greta Thunbergs und des Hypes um Luisa Neubauer und ihre „Fridays for Future“-Schulschwänzer wirkt die Umweltbewegung der alten Bundesrepublik wie ein Hort der Vernunft. Daran erinnert ein informativer langer Beitrag, den der Biologe Reinhard Piechocki jenem Mann widmet, der wie kein zweiter ökologisches Wissen unters Volk gebracht und das Umweltbewußtsein der Deutschen geweckt hat: dem Publizisten Horst Stern (Naturwissenschaftliche Rundschau, 4/19).

Im Unterschied zu den beiden anderen Fernsehlegenden der TV-Tierwelt, dem Schlesier Bernhard Grzimek und dem Ostpreußen Heinz Sielmann (JF 23/17), deutete bei dem Pommer Stern von früh auf nichts auf eine Karriere hin, die ihn einst zur Leitfigur der Ökologiebewegung machen sollte. 1922 in Stettin geboren, weist die Biographie vielmehr typische Lebensstationen seiner Generation auf: 1939 Kriegsfreiwilliger, Fronteinsatz als Fallschirmjäger, 1942 US-Gefangenschaft, aus der er erst 1947 heimkehrte. Sich zunächst als Dolmetscher durchschlagend, stieg er 1950 als Gerichtsreporter bei den Stuttgarter Nachrichten in den Journalismus ein – und wegen der „ewigen Kastrationen“ seiner Artikel 1955 auch wieder aus.

Zu seinem Glück, denn danach ging es steil nach oben, als Herausgeber des Seglermagazins Die Yacht, das er bis 1969 vom betulich-elitären Blättchen in eine moderne Sportzeitschrift mit hoher Auflage verwandelte. Nebenher gab es aber schon erste Berührungen mit Naturthemen. Stern meldete sich 1960 mit seiner ersten Schulfunksendung zu Wort, die den Steinmarder von seinem Ruf als „böser Räuber“ befreien wollte. In mehr als 50 weiteren Sendungen prangerte er dann die „falsch verstandene Tierliebe“ seiner Mitmenschen an, die das Verhalten und die natürlichen Bedürfnisse der Tiere ignoriere. 

Vom Rundfunk war es nur noch ein kleiner Schritt ins ARD-Fernsehen. 1970 startete „Sterns Stunde“, eine Serie mit „Bemerkungen“ über Bienen, Igel, Rothirsche, Störche, Jagdhunde, Haushuhn sowie, als extra starker Tobak, mit kritischen Reportagen über das Zirkuspferd, Tiere im Zoo und in der Pharmaforschung. Was Stern hier seinen Zuschauern zumutete, hatte nichts mit dem, wie er spottete, „gefühligen Eiapopeia-Zeugs“ von Grzimek zu tun. Vielmehr übertrug er die „altehrwürdigen Regeln“ der schreibenden Zunft in das neue Medium: „Recherchieren, darüber nachdenken, nachprüfen, nachprüfen, und wenn du dann keine begründeten Zweifel mehr hast, veröffentlichen“. Und dabei selbstredend nie das Fundament der Wissenschaft verlassen. Ein Ethos, das weit von der heutigen Meinungsmache der Relotius-Medien entfernt zu liegen scheint.

Mit „Sterns Stunde“ gewann ihr Autor Statur als „politischer Ökologe“, der den Umweltschutz – vorher eine Sache weltfremder „Naturfreunde“ und vogelzählender Oberlehrer – mitten ins Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Politik rückte, der gegen die industrialisierte Landwirtschaft, Massentierhaltung und Landschaftsverbrauch zu Felde zog. Und der zusammen mit Sielmann, Grzimek, dem Verhaltensbiologen Konrad Lorenz 1972 die „Gruppe Ökologie“ ins Leben rief, die sich als Denkwerkstatt der Umweltbewegung konstituierte und aus deren Führungsriege die Gründer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hervorgingen.

Entsprechend konzipierte der mit seinen Mitstreitern als „grünes Gewissen der Politik“ anerkannte Stern 1980 seine neue Zeitschrift Natur, die er binnen kurzem zum Zentralorgan des „ökologischen Diskurses“ formte, mit 130.000 Abonnenten und einer 180.000er-Auflage. Bis ihn 1984 die Söhne des Blatteigners, die „mehr boulevardjournalistischen Biß“ verlangten, zur Demission nötigten. Seitdem zog sich Stern aus der Öffentlichkeit zurück.

Es habe „am Ende doch alles nichts genützt“, lautete ein im Alter oft wiederholter Satz. Ein bitteres Fazit, das Stern wohl auch deswegen zog, weil nach der Gründung der Partei der Grünen jene Utopisten den Ton angeben, die im Umweltschutz ein Instrument der Gesellschaftsveränderung sehen. Anders als diese Irrationalisten wollte der Rationalist Stern nur aufklären und zu wissenschaftlich geleiteten Veränderungen ermutigen, nicht aber den totalitären Anspruch erheben, den Menschen in Panik zu versetzen, um „die Welt zu verbessern“.

Zehn der insgesamt 24 Folgen von „Sterns Stunde“, die zwischen 1970 und 1979 in der ARD gesendet wurden, sind zusammen mit der Doku „Die ermüdete Wahrheit“ über Horst Stern als Sechsfach-DVD „Horst Stern – Tierstunden“ in der 3sat-Edition erhältlich.