© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Martin Heipertz gibt alles, um die CDU wieder auf konservativen Kurs zu bringen.
Auf ins Getümmel!
Paul Leonhard

Politik ohne Werte ist wie Segeln nach dem Wind.“ Erbauungssprüche wie dieser kaschieren bei Politikern in der Regel, daß echte Überzeugungen fehlen. Martin Heipertz aber meint den Satz ernst – viel zu ernst für den Geschmack derer, die in seiner Partei das Sagen haben und denen der konservative „CDU-Rebell“ (Spiegel) immer wieder auf die Füße tritt. 

Bewundernswert „umtriebig“ und „schräg“, so beschreiben ihn hinter vorgehaltener Hand wohlwollende – „im Geiste schon bei der AfD“, so kritische Mitglieder der Werte-Union, in deren Bundesvorstand Heipertz sitzt. Und nicht nur hier, in der von der Parteispitze ungeliebten Sammlung konservativer Christdemokraten, setzt er alle Hebel in Bewegung, die Union nach dem Merkel-Albtraum wieder „auf Kurs“ zu bringen. Im Mai gründete der Unruhegeist zudem die CDU-Mitglieder-Initiative „Die Basis“, um durch den Ausbau der innerparteilichen Demokratie der konservativen Parteibasis mehr Gehör zu verschaffen. Er ist sich auch nicht zu schade, um etwa, nur mit einer Handvoll Gleichgesinnter, als Orientale verkleidet vor der CDU-Bundeszentrale Erdogans Einfluß hierzulande anzuprangern. Die einen verlachten das skurrile Häuflein, andere bewunderten ihre idealistische Unbeirrtheit. 

Dabei könnte aus Sicht der Parteiführung alles so schön sein. Denn längst war Heipertz, 1976 in Frankfurt/Main geboren, auf dem Weg nach oben, dabei einer von ihnen zu werden. Der damals 35jährige Vize-Büroleiter des Bundesfinanzministers galt 2011 als Schäubles „Euro-Experte“ (Süddeutsche Zeitung), die FAZ lobte sein Buch „Ruling Europe“ – Vorwort von Jean-Claude Juncker –, als „lesenswerte Fallstudie zum Stabilitätspakt“ und das Magazin Capital sah ihn unter den „Top 40“ der jungen Elite. Inzwischen leitet der promovierte Ökonom das Referat für EU-Angelegenheiten im Finanzministerium. Alles, was so eine Karriere weiter braucht, ist eine gewisse „Geschmeidigkeit“. 

Daß Heipertz die vermissen läßt, erklärt sich vielleicht mittels seines 2008 verfaßten, 2011 erschienenen Romans „Der Tramp“ in dem er offenbar ein Schlüsselerlebnis verarbeitet. Darin wird ein den Euro „rettender“ EZB-Banker mit einem „Global Player“ ganz anderer Art konfrontiert – trifft der Einser-Abiturient und Max-Planck-Doktorand, der ein britisches Internat besucht und in Oxford studiert hat, auf einen Seemann, Spieler, Ex-Knacki und Tramp, und eine der Lektionen, die er lernt, ist, „kein Arschloch zu werden“.

CDU-Hoffnung oder U-Boot im Geist der AfD – und für die wiederum Merkels Leimrute Richtung Rechts. An Heipertz scheiden sich die Geister. Wer jedenfalls den Aktivismus in seinem Gesicht mit dem breiten Grinsen, Dreitagebart und kühner Haarsträhne sieht, bekommt wieder Lust, sich ins politische Getümmel zu stürzen.