© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

„Das wäre der Todesstoß“
Richtungsstreit: Während in der CDU die Debatte um Hans-Georg Maaßen weitergeht, kritisiert ein ehemaliger Ministerpräsident den Linkskurs seiner Partei
Christian Vollradt

Auch kurz vor den beiden Landtagswahlen am Wochenende hat sich die innerparteiliche Aufregung über den Kurs der CDU nicht vollständig gelegt. Zum einen entzündete sich ein neuer Streit über das Für und Wider von Wahlkampfauftritten des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen bei Veranstaltungen der Werte-Union (siehe Seite 5). Flügelübergreifend wurde Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer angekreidet, diese Flanke überhaupt geöffnet zu haben. Zuletzt mokierte sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), der die Personaldebatte „in den Bereich von Witzveranstaltungen“ verwies. 

Die Potsdamer Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig (JF 35/19) sagte der JUNGEN FREIHEIT, man erreiche „mit Herrn Maaßen bürgerlich-konservative Bürger, die wir sonst nicht mehr erreichen würden, und haben so die Chance, daß sie uns wählen.“

Mit einem besorgten Hinweis hat sich unterdessen auch ein weiteres Urgestein der Ost-CDU zu Wort gemeldet: Sachsen-Anhalts früherer Ministerpräsident Gerd Gies kritisierte die zu starke Annäherung an Grüne und Linkspartei. „Die CDU begreift nicht, daß die Menschen nicht gegängelt werden und Angstpsychosen ausgesetzt sein wollen“, schrieb Gies in einem Brief an den CDU-Vorsitzenden und Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht, der dieser Zeitung vorliegt und über den die JUNGE FREIHEIT online zuerst berichtet hatte.

Unter der Führung Angela Merkels und auch heute noch werde der programmatische Kern der Union „beständig ausgehöhlt“. Zudem seien, um den Spielraum bei Koalitionsverhandlungen zu vergrößern, „die Ziele der Grünen übernommen und umgesetzt“ worden. Dies bringe der Partei indes „nur Verluste, denn grüne Wähler werden immer das Original wählen“. Gründung und wachsender Erfolg der AfD sind für Gies ein Ergebnis der Politik Merkels. Der Umgang mit der AfD „stärkt diese ohne deren Zutun“, schreibt der konservative Politiker unmittelbar vor den Wahlen in den beiden Nachbar-Bundesländern Sachsen und Brandenburg. „Die Bürger verstehen, daß die bisherige Politik ihren Wohlstand gefährdet; sie erwarten, daß Zuwanderer sich integrieren und unseren Gesetzen unterwerfen; sie wollen nicht mit ihren Steuern das Geschäft skrupelloser Schlepper betreiben.“

Gies, von 1990 bis zu seinem Rücktritt 1991 erster Ministerpräsident in Magdeburg nach der demokratischen Revolution und bis 1998 Mitglied des Landtags, verbindet seine Kritik mit einer eindringlichen Warnung. Wenn sich vor dem Hintergrund eines Erstarkens der AfD Stimmen in der CDU mehrten, man solle eine Koalition mit der Linken eingehen, sei „das ein lautes – und vielleicht letztes – Alarmzeichen“. Eine Koalition mit der „mehrfach umbenannten SED wäre der endgültige Todesstoß für die Union“, eine „große Zahl von Mitgliedern und Wählern würde sich entsetzt abwenden“, ist sich Gies sicher.  

Von CDU-Landeschef Stahlknecht forderte er, bundesweit „schnellstens ein deutliches Zeichen“ gegen jegliche Gedankenspiele einer Koalition mit der Linkspartei zu setzen. Dafür sei es „höchste Zeit“. Persönlich erhoffe er sich, so Gies, „noch weitere Jahre Mitglied der CDU bleiben zu können, der Partei, die mein Leben stark bestimmte“.