© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Ländersache: Berlin
Caracas liegt bald an der Spree
Ronald Berthold

Eine 80 Quadratmeter große Maisonette-Wohnung in einem noblen Berliner Altbau am Kurfürstendamm soll demnächst nur noch höchstens 482 Euro Miete kosten dürfen. Die dort wohnenden, meist nicht von Armut betroffenen Wilmersdorfer und Charlottenburger dürften sich freuen. Denn der rot-rot-grüne Senat plant eine staatlich verordnete Mietpreissenkung, die in der Hauptstadt ausschließlich Kaltmieten zwischen 3,42 bis 7,97 Euro pro Quadratmeter erlaubt. 

Der Mietzins ist nach Baujahr gestaffelt und müßte umgehend gesenkt werden. Vereinfacht gilt: Je älter die Wohnung, desto billiger muß sie sein. Nach dem auf fünf Jahre beschlossenen Mietendeckel wäre dieses vorab bekanntgewordene Vorhaben der Bausenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) der nächste massive Eingriff der Landesregierung in den knappen Berliner Wohnungsmarkt.

Zurück gehen die aufsehenerregenden Pläne ganz offenbar auf das von der „Interventionistischen Linken“ verfaßte Pamphlet „Das Rote Berlin“. Dort haben die Autoren im vergangenen Jahr ihre „Strategien für eine sozialistische Stadt“ dargelegt. Eine Schlüsselrolle dabei spielt Andrej Holm. Aufgrund seiner früheren Stasi-Tätigkeit und falscher Angaben dazu verlor der „Stadtsoziologe“ zwar kurz nach Amtsantritt seinen Posten als Staatssekretär unter Lompscher. Als Berater der Regierungsfraktion „Die Linke“ bekam er aber umgehend eine neue Anstellung und behielt damit seinen Einfluß auf die Senatspolitik – zumal er weiter in der Lompscher-Verwaltung arbeitet. Holm ist Mitglied des einflußreichen „Begleitkreises zum Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030“. Lompscher nutzt dessen Arbeit für ihre wohnungsbaupolitische Strategie.

In „Das Rote Berlin“ sind die Pläne, die die Senatorin Schritt für Schritt umsetzt und vorerst in der Mietpreissenkung gipfeln, formuliert. Von der „Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes“ ist dort offen die Rede. Dieser solle durch „Steuern, Regulierungen und Marktbehinderung“, wie die Berliner Morgenpost schreibt, zurückgedrängt werden. Zitat aus der Broschüre: „Dadurch wird Spekulation unattraktiv, die Preise sinken.“ Im zweiten Schritt soll Wohnraum „vergesellschaftet“ werden.

Der finale Punkt müsse sein, daß die Verwaltung der bereits landeseigenen Wohnungen „radikal demokratisiert“ werde. Parallel dazu schafft dann die Politik, so das Ziel, den privaten Wohnungsmarkt komplett ab, indem sie alle nicht selbst genutzten Wohnungen in Gemeingut „überführt“ – also enteignet bzw. verstaatlicht.

Ob das alles tatsächlich so weit kommt, steht noch nicht fest. Inzwischen regt sich Widerstand – nicht nur bei der Berliner Opposition aus CDU, AfD und FDP, die eine Organklage ankündigen. Auch die Immobilienwirtschaft, inklusive der Wohnungsgenossenschaften, gehen auf die Barrikaden. Selbst Lompschers Koalitionspartner SPD und Grüne äußern leise Kritik. Damit hätte der Beamte, der die Pläne vorab durchgestochen hat, sein mutmaßliches Ziel erreicht. So, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, werden sie möglicherweise nicht umgesetzt. Beim fünfjährigen Mietendeckel, der Investoren ohnehin vom Wohnungsbau abschreckt, dürfte es aber bleiben.