© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/19 / 30. August 2019

Getrennt marschieren – vereint schlagen
Interview: Angesichts der Regierungskrise in Italien spielen auch die Umfragewerte für die kleineren Parteien eine Rolle. So wächst Matteo Salvinis Bündnispartner Fratelli d’Italia (FdI; „Brüder Italiens“) und ist dabei, Silvio Berlusconis Forza Italia zu überrunden / Ein Gepräch mit FdI-Chefin Giorgia Meloni
Wulf D. Wagner / Marco Leonardi

Frau Meloni, worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen der von Matteo Salvini geleiteten Lega und ihrer Fratelli d’Italia?

Giorgia Meloni: Vor allem haben wir eine unterschiedliche Herkunft. Die Lega ist geschichtlich eine Partei des Nordens Italiens mit einer starken Neigung zur Autonomie, sie wurde dann sehr stark föderalistisch und wandte sich der Verteidigung der Interessen der gesamten Nation zu. Wir hingegen sind die Erben der italienischen Rechten, einer sozialen und nationalen Rechten, die schon immer die patriotischen Ideale verteidigte. Dieser geschichtliche Unterschied tritt oft hervor. Fratelli d’Italia nahm nicht an einer Regierung mit Movimento 5 Stelle teil, einer Partei, die für uns von jeher nur ein anderes Gesicht der Linken repräsentiert und eine rückwärtsgewandte Politik verfolgt,  die unsere Firmen und unsere Regionen belastet.

Im Februar 2019 trat Fratelli d’Italia  der Parlamentsfraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) bei und nicht der von der Lega gegründeten Fraktion Identität und Demokratie (ID). Gibt es in Europa noch die Chance für eine Zusammenarbeit zwischen den konservativen und nationalen Kräften?

Meloni: Ich wünsche es mir, und es ist bereits erfolgt. Ich denke hier an die Zustimmung der ID-Europaabgeordneten für unseren Kandidaten Jan Zahradil von der tschechischen ODS  und die gegenseitige Unterstützung, die wir uns bei der Abstimmung für die Spitze von Parlamentsausschüssen und EU-Parlamentsvizepräsidenten gaben. Leider haben wir eine schändliche diskriminierende Haltung von seiten der sogenannten „pro-europäischen Mehrheit“ feststellen müssen, die uns die zustehenden Posten versagte. Das tun sie im Namen der „Demokratie“, doch ist es ein Verhalten, das an das sowjetische Regime erinnert. Leider hat die Europäische Volkspartei sich entschieden, sich der Linken auszuliefern.

Welche Rolle spielen die westeuropäischen Massenmedien in diesem Zusammenhang?  

Meloni: In Italien breitet sich eine ähnliche Politische Korrekheit aus wie in Deutschland. Wenn es zum  Beispiel um Verbrechen durch Migranten geht, wird zumeist versucht, die ursprüngliche Nationalität zu verheimlichen, um die negative Wahrnehmung der Einwanderung durch die Bevölkerung nicht noch zu steigern. Das Problem ist, daß wir – Europa oder der sogenannte Westen – diesem Vormarsch ohnmächtig gegenüberstehen. Es gibt ganze Quartiere in unseren Großstädten, wo allein das Gesetz des Korans herrscht. Aus Brüssel hört man kein Wort über die Gefahr der Islamisierung Europas. Wir dagegen haben klare Ideen: Es muß einer eingeschränkten und kulturell passenden Einwanderung der Vorzug gegeben werden. Warum spricht niemand über die vier Millionen katholischen Flüchtlinge aus Venezuela, die vor dem korrupten kommunistischen Regime Maduros fliehen? Und warum bemüht sich keiner, ihnen zur Hilfe zu eilen? 

Welche Rolle spielt hier das christliche Erbe Europas?

Meloni: Leider verleugnet die Europäische Union ihre christlichen Wurzeln. Diese Einstellung untergräbt auf nicht wiedergutzumachende Weise das Projekt. Wenn es uns nicht gelingt, eine Wertegemeinschaft mit gemeinsamer Identität zu sein, wird dieses Europa nicht über den Rahmen eines Finanzprojekts mit vielfachen Interessenkonflikten hinauskommen.