© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

„Die Dame, die wir falsche Fürstin nennen“
Parteiausschluß: Schleswig-Holsteins bisherige Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein fliegt aus der AfD / Bundesvorstand drohte Kielern mit Sanktionen
Christian Vollradt

Eigentlich ging es am Montagmorgen in der Bundespressekonferenz ja um die Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Doch als Parteichef Alexander Gauland eine Frage zur Situation im hohen Norden beantwortete, nahm er von Berlin aus bereits vorweg, was erst Stunden später per Pressemitteilung aus Kiel offiziell bestätigt wurde. „Nun stellt sich auch der Landesvorstand Schleswig-Holstein gegen Frau von Sayn-Wittgenstein und akzeptiert das, was das Bundesschiedsgericht ausgesprochen hat“, teilte er den versammelten Journalisten mit. „Da kann ich nur sagen: Gott sei Dank, daß wir das Problem nun endlich los sind!“ 

Am frühen Nachmittag dann veröffentlichte der Landesvorstand eine kurze Mitteilung auf der Internetseite des Verbands, man habe den einstimmigen Beschluß gefaßt, daß gemäß dem Bundesschiedsgerichtsurteil „Doris von Sayn-Wittgenstein das Amt einer Vorsitzenden des Landesverbandes Schleswig-Holsteins nicht mehr ausüben“ könne. Der Vorstand werde bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden auf einem Parteitag von den beiden stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Schneider und Roland Kaden geleitet. 

„Aus einem wichtigen  Grund ausgeschlossen“

Am Mittwoch vergangener Woche hatte das AfD-Bundesschiedsgericht dem Antrag des Pateivorstands stattgegeben, die „Dame, die wir die falsche Fürstin nennen“ (Alexander Gauland) wegen parteischädigenden Verhaltens aus der AfD auszuschließen. Die Parteirichter kassierten damit das Urteil des Landesschiedsgerichts in Schleswig-Holstein, das einen Ausschluß von Doris von Sayn-Wittgenstein als unbegründet abgelehnt hatte. Doch die Mitglieder des Bundesschiedsgerichts werteten den Vorwurf, Sayn-Wittgenstein sei Fördermitglied des als rechtsextremistisch eingestuften „Vereins Gedächtnisstätte“ gewesen, der auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht, als schwerwiegend (JF 28/19). Zudem habe die bisherige Landesvorsitzende revisionistische Thesen hinsichtlich des deutschen Staatsgebiets vertreten, die „friedensgefährdend und unhaltbar“ seien.  

Während der Fraktionschef der AfD im Kieler Landtag, Jörg Nobis, die Entscheidung des Schiedgerichts lobte, hüllte sich der Rumpfvorstand des Landesverbands, den Beobachter zu den Wittgenstein-Getreuen zählen, erst in Schweigen. Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT teilte Vize Joachim Schneider am Freitag zunächst mit: „Frau von Sayn-Wittgenstein ist die Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein.“ Denn mit der kürzlich erfolgten Wahl sei ihr „das Vertrauen des Souveräns, des Landesparteitags, ausgesprochen“ worden, daran ändere sich formal durch den Parteiausschluß infolge des Urteils durch das Bundesschiedsgericht nichts. Die Satzung sehe „nicht zwingend eine Parteimitgliedschaft für ein Vorstandsamt vor“. Dies hatte die Juristin Sayn-Wittgenstein in einer ersten Stellungnahme auch behauptet, unterfüttert mit der These, Ludwig Erhard sei auch nie Mitglied der CDU und dennoch deren Vorsitzender gewesen. Das ist nach aktuellem Forschungsstand unzutreffend: Erhard war CDU-Mitglied, hatte nur – damals nicht ungewöhnlich – nie einen formalen Aufnahmeantrag gestellt.

„Der Landesvorstand hat keinen Anlaß gesehen, der Rechtsauffassung der Vorsitzenden, die immerhin Volljuristin ist, nicht zunächst zu folgen“, meinte Schneider dann am Montag gegenüber der JF. Bis zur Zustellung des Urteils des Bundesschiedsgerichts am Freitagnachmittag habe man gegenüber der Öffentlichkeit vertreten, daß Sayn-Wittgenstein gewählte Landesvorsitzende sei. Aus gut unterrichteter Quelle erfuhr die JF jedoch, der Bundesvorstand habe den Kielern Ordnungsmaßnahmen angedroht, sollten sie bei ihrer Position bleiben.   

In der AfD machen zudem Gerüchte  die Runde, der „Flügel“ sei bereits von seinem einstigen Schützling abgerückt und akzeptiere den Ausschluß. Björn Höcke wollte das auf Nachfrage der JF so nicht bestätigen, dazu fehle ihm die genaue Kenntnis der Urteilsbegründung. Es scheine ihm jedoch, daß auch dort „mit zweierlei Maß gemessen wurde“.  Andere Flügel-Leute deuteten an, sie wünschten sich von dem Thüringer ein deutlicheres Signal gegen „die Fürstin“.

Einen Tag nach dem höchsten Schiedsgericht der AfD traf dann das schleswig-holsteinische Landesverfassungsgericht eine Entscheidung in Sachen „DSW“: Ihr Ausschluß aus der AfD-Fraktion im Kieler Landtag sei rechtens. Sie sei durch die Entscheidung im Dezember 2018 nicht in ihren Rechten als Abgeordnete verletzt worden, das Verfahren halte daher einer „verfassungsrechtlichen Überprüfung stand“. Ob der Fraktionsausschluß „politisch vertretbar“ sei, spiele dabei keine Rolle. Wesentlich sei nur, daß der Ausschluß nicht willkürlich erfolgt sei. Doch die AfD-Fraktion habe Sayn-Wittgenstein aus einem „wichtigen Grund“ ausgeschlossen, dazu einen „Beurteilungsspielraum“ nutzen dürfen und ihr „hinreichend Gelegenheit“ gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, betonten die Richter.

Das nun ehemalige AfD-Mitglied Sayn-Wittgenstein sieht seinen Parteiausschluß als „Teil eines geplanten Umbaus der AfD“. Sie werde „diese Entscheidung eines gezielt zusammengesetzten Tribunals nicht akzeptieren und den Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte beschreiten“, kündigte sie an.