© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Wer Leugner ist, bestimme ich
Meinungsmanipulation bei Wikipedia: Geht es um klimarelevante Beiträge, wacht ein grüner Vollzeit-Aktivist über die korrekte Schlagseite der Artikel
Hinrich Rohbohm

Von Albert Einstein stammt das Bonmot: „Wissen heißt wissen, wo es geschrieben steht.“ Eigentlich eine Binsenweisheit. Wer Näheres über einen Begriff, einen Sachverhalt oder etwa über eine Organisation in Erfahrung bringen möchte, der griff in Zeiten von Einstein zu einem entsprechenden Nachschlagewerk, einem Lexikon. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, daß der Suchende fündig wurde. Er bekam eine Definition geliefert und wußte, daß sie von den Autoren des Nachschlagewerkes stammte und er sich auf dessen Ausgabe beziehen konnte.

Heute, im Zeitalter des Online-Lexikons Wikipedia, ist das eigentlich nicht anders. Die Wahrscheinlichkeit, beim gewünschten Begriff fündig zu werden, ist sogar noch höher, ihr Schlagwortregister gegenüber herkömmlichen Lexika weitaus umfassender. Doch nun ist es zumeist eine Vielzahl gewöhnlich unbekannt und unentgeltlich agierender Autoren im Netz, die einen Begriff definieren.

Was sich bei Fragen nach dem höchsten Berg der Welt, der Hauptstadt von Nicaragua oder dem Geburtsdatum des amtierenden US-Präsidenten bei Wikipedia als nützlich erweist, wirft bei politisch umstrittenen Begriffen Zweifel auf. Denn jenseits klarer Fakten, bei ideologisch aufgeladenen Debatten, politisch umkämpften Fragen, bei denen es um die Deutungshoheit über Begriffe geht, wird Wikipedia schnell zur Propagandawaffe.

Eine Waffe, die offenbar besonders in der Klimapolitik zum Einsatz kommt. Wer auf der deutschen Wikipedia Begriffe wie „Energiewende“ oder „Klimaleugner“ aufruft, erhält eine zutiefst einseitige Definition, die weitestgehend mit den Forderungen und Vorstellungen ökologischer NGOs, der Partei der Grünen sowie der „Fridays for Future“-Bewegung (FFF) übereinstimmt.

So gilt dort schon das Anzweifeln und Infragestellen der Aussagen des sogenannten Weltklimarates (IPCC) als „Leugnung“. Denn laut Wikipedia-Eintrag gebe es seit Mitte der neunziger Jahre „keinen Grund mehr für eine echte wissenschaftliche Debatte über die Aussage, daß der Mensch das Klima verändert“ habe. Ähnlich absolute Gewißheiten enthalten auch die Einträge zur sogenannten Energiewende und zum Europäischen Institut für Klima und Energie (Eike).

Das Eike verkündet als Slogan auf seiner Internetseite: „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit“. Ein Satz, mit dem man vor allem auf steigende Abgaben, auf zunehmende Verbote und Einschnitte in die Freiheitsrechte im Namen des Klimaschutzes aufmerksam machen möchte. Vor allem vertritt das Eike mit Sitz in Jena eine Gegenposition zur FFF-Bewegung und den Grünen, die stets betonen, daß ohne Verbote und Abgaben eine Klimakatastrophe nicht abgewendet werden könne.

Vielschreiber Andol verweist als Beleg auf eigene Quellen

Wer den Wikipedia-Eintrag über das Institut liest, dürfte schnell den Eindruck erhalten, daß es sich hier um einen sektenartig agierenden Verein von Fanatikern handeln müsse. „Von unabhängigen Stimmen aus Wissenschaft und Presse wird er als Zentrum der politisch aktiven und organisierten Klimaleugner-Szene in Deutschland beschrieben“, heißt es da. Der Verein täusche „Wissenschaftlichkeit“ vor und verbreite „gezielt Desinformationen“.

Eine Quelle für diese Behauptungen nennt der Artikel nicht. Hauptautor ist eine Person mit dem Pseudonym „Andol“. Ein Deckname, hinter dem sich der Aktivist Andreas Lieb aus dem unterfränkischen Großostheim verbirgt, wie die Schweizer Weltwoche jüngst herausgefunden hatte. Lieb ist nicht nur Wikipedia-Hauptautor über Eike. Ein Artikel, über den er mit Argusaugen wacht: Die letzte Änderung eines Autors am Text machte „Andol“ am Montag um 17.40 Uhr nach nur vier Minuten rückgängig. Andere Wikipedia-Artikel zu den Begriffen „Klimaleugner“, „Energiewende“ oder „Einspeisevergütung“ stammen fast ausschließlich von ihm. Der Artikel zu „Windenergie“ stammt immerhin zu 53,6 Prozent von ihm. Und nicht nur das. Sogar die in den Artikeln von ihm angegebenen Quellen sind offenbar frisiert. Denn auch sie wurden fast ausschließlich von ihm selbst kreiert.

Eine Herkules-Aufgabe, die Zeit erfordert. Sehr viel Zeit. Die Weltwoche hatte herausgefunden, daß „Andol“ erstmals 2011 auf Wikipedia aktiv geworden ist. In einer Benutzer-Diskussion bezeichnet sich Andol selbst als einen von „mehreren langjährigen und erfahrenen Wikipedia-Autoren“. Seitdem habe er 180 eigene Artikel verfaßt, mehr als 20.000 Bearbeitungen an bestehenden Einträgen vorgenommen. Demnach logge er sich täglich um 13 Uhr bei Wikipedia ein, arbeite bis 17 Uhr, um nach einer Pause bis Mitternacht weiter aktiv zu sein. Nicht selten auch bis weit in die frühen Morgenstunden hinein, wie die Versionsgeschichten der Artikel zeigen.

Eine Vollzeit-Beschäftigung. Doch Wikipedia zahlt Autoren auf seiner Plattform kein Gehalt, die Arbeit ist freiwillig und unentgeltlich. Oder etwa doch nicht? Wer macht so etwas?

Einer von ihnen ist der britische Informatiker und Blogger William Conolley, der bis 2007 beim British Antarctic Survey als Klimamodellierer beschäftigt war und für die Grüne Partei dem Gemeinderat von Coton in der Nähe von Cambridge angehört hatte. Sein Agieren auf Wikipedia ähnelt verblüffend genau jenem von Andreas Lieb.

Conolley arbeitete auch für RealClimate, ein Weblog, das sich auf die „globale Erderwärmung“ spezialisiert hat. Die dort tätigen selbsternannten Klimaforscher sind keine Unbekannten. Zu ihnen gehört unter anderem Stefan Rahmstorf, einer der Leitautoren des 2007 veröffentlichten Vierten Sachstandsberichtes des Weltklimarates. Rahmstorf ist heute am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) tätig, das inzwischen zu Europas einflußreichsten Thinktanks zählt.

Langjähriger Leiter des PIK war der kürzlich in den Ruhestand verabschiedete Hans Joachim Schellnhuber. Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich hatte ihn zum Chefberater der Bundesregierung in Klimafragen ernannt. Doch Schellnhuber berät mit seinem Institut nicht nur die Bundeskanzlerin. Auch die EU-Kommission sowie Papst Franziskus hören auf seinen Rat.

Umtriebiges Engagement in umweltrelevanten Bereichen

Wie Schellnhuber beriet auch Rahmstorf die Bundesregierung. Von 2004 bis 2013 gehörte er wie Schellnhuber dem „Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) an. Beim RealClimate-Blog gehört er zu den Mitgründern. Ein Blog, der inzwischen mit Meriten überhäuft wurde. Das Time Magazine zählte es zu den 15 besten Umweltseiten, die Fachzeitschrift Nature erhob es zu den Top 5 der Wissenschaftsblogs.

Ein Blog, der sich rühmt, vollkommen unentgeltlich zu arbeiten. Als Provider von dessen Internetauftritt tritt jedoch die Nichtregierungsorganisation Environmental Media Services (EMS) auf. Gegründet wurde EMS von dem ehemaligen Journalisten Arlie Schardt. Im Jahre 2000 fungierte Schardt noch als Kommunikationschef für Al Gores Präsidentschaftskampagne. EMS hat sich auf die Koordinierung der Medienaktivitäten von Umweltgruppen spezialisiert, sorgt damit für deren Professionalität.

Hinter EMS wiederum verbirgt sich eine Abteilung der PR-Agentur Fenton Communications in den USA. Die Agentur hat sich auf die Betreuung von Nichtregierungsorganisationen spezialisiert. Zu ihren größten Auftraggebern zählen Greenpeace sowie die amerikanische MoveOn-Bewegung, die in den USA linke Politiker unterstützt. Das dem Washingtoner Hudson Institute angehörende Center for Global Food Issues hatte der Agentur unter anderem Panikmache im Interesse der Ziele ihrer Öko-Klienten vorgeworfen. Jene Panik, die beispielsweise „Fridays for Future“ benötigt, um junge idealistische Klimaretter auf die Straßen zu bringen.

Der Agentur-Gründer David Fenton entstammt in den USA der linksradikalen Szene der spätsechziger Jahre, wirkte in der linken Untergrund-Presse, bei den Anti-Vietnam-Kriegsprotesten sowie bei der Anti-Atomkraft-Bewegung. 2009 wurde seine Agentur von der Wikimedia Foundation im Rahmen eines 250.000-Dollar-Projektes damit beauftragt, Image und Glaubwürdigkeit der im Besitz der Foundation befindlichen Wikipedia-Enzyklopädie zu erhöhen. War William Conolley möglicherweise ein Schreiberling, der von der Fenton-Agentur finanziert wurde?

Wie Andreas Lieb agierte er wie in einer Vollzeitstelle, wie Lieb engagierte er sich für die Grünen, betrieb wie er auf Wikipedia massive Meinungsmanipulationen bei klimabezogenen Artikeln. Manipulationen, die Conolley offenbar so weit auf die Spitze getrieben hatte, daß ihm seine Administrator-Funktion bei Wikipedia entzogen wurde.

Ist Andreas Lieb sein deutsches Pendant? Anwohner in Großostheim beschreiben ihn als etwas introvertiert, aus einem bürgerlichen Umfeld stammend. Seine Eltern gelten in dem 16.000 Einwohner zählenden Ort als fest verankert. Er selbst lebt im Ortsteil Pflaumheim und engagiert sich im Vorstand der Bürgerenergie Bachgau für regenerative Energien, einer Energiegenossenschaft, wie es sie im Freistaat Hunderte gibt. Im März 2013 war der damalige Student unter den Mitgründern der Bürgerenergie Bachgau und wurde in den Aufsichtsrat gewählt. Deren Ziel: der grüne Umbau der örtlichen Energieversorgung. Bei der Hauptversammlung im Mai 2016 rückte er in den Vorstand der Genossenschaft auf. Die Neuwahlen des Genossenschaftsvorstands Mitte Mai 2019 bestätigten ihn im Amt.

Für die Junge Liste Bachgau (JLB) bewarb Lieb sich im März 2014 um einen Sitz im Gemeinderat – mit nur 695 Stimmen allerdings erfolglos und weit abgeschlagen. Zusammen mit der Jungen Liste, dem Grünen-Kreisverband Aschaffenburg sowie dem BUND organisierte er im Dezember 2018 eine Klimademonstration, bei der er als Redner auftrat.

Dieselbe Junge Liste wünschte der Genossenschaft zu deren Gründung „viel Erfolg“. Sie stünde „fest“ hinter deren Zielen und werde sie „tatkräftig unterstützen“. Gratuliert Andreas Lieb sich demnach mittelbar selbst? Wie „Andol“ bei Wikipedia sich selbst zitiert?

Der BUND und die Grüne Jugend fungieren übrigens auch als Hauptakteure von „Fridays for Future“. Jener Bewegung, bei der ebenfalls der Verdacht im Raum steht, sie werde von der dem Club of Rome nahestehenden Nichtregierungsorganisation Plant for the Planet-Foundation finanziert (JF 20/19).

 Lesen Sie in der kommenden Ausgabe den zweiten Teil der Reportage, in der es um die Hintermänner von Deutschlands führenden Klima-Aktivisten geht.

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