© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Digitale Schlachtfelder des Kulturkampfes
Sexuelle Identittä und Diversität: Politik und linke Aktivisten nehmen zunehmend Videospiele ins Visier
Ferdinand Vogel

Dorothee Bär (CSU), Franziska Giffey (SPD), Lars Klingbeil (SPD) und etliche weitere Politiker nahezu aller großen Parteien haben sich auf der diesjährigen Gamescom Ende August sehen und ablichten lassen. Daß eine Spielemesse zum Großereignis für die Politik geworden ist, haben viele Politiker selbst noch nicht realisiert. Der digitalpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Tankred Schipanski (CDU), attestierte digitalen Spielen in einem Deutschlandfunk-Interview, „Treiber für Innovation“ zu sein, und fordert die staatliche Förderung des Videospielmarktes. 

Wer bei Videospielen an das Hobby von bebrillten Informatikern denkt, hat in den letzten Jahrzehnten nicht aufgepaßt. Weltweit wächst die Branche. 3,3 Milliarden Euro setzte die Videospielbranche allein in Deutschland im Jahr 2017 um, schreibt die Games-Wirtschaft. Damit liegen die Videospiele vor RTL, der Musikindustrie und dem Kino. 43,8 Milliarden Euro setzte die internationale Spieleindustrie laut Entertainment Software Association insgesamt um. Ein gigantisches Geschäft, über das zudem Millionen von Menschen erreicht werden können. Daß die Politik das zunehmend erkennt und Einfluß nehmen will, zeigen mehrere Beispiele sehr deutlich.

LGBT-Charaktere fließen in Handlungen ein

Im Netz finden sich unter den Stichworten „SJW Gaming“ oder „Leftist ideology and games“ unzählige Videobeiträge, vor allem auf Youtube, in denen sich Vlogger mit der Thematik befassen. Diese Beiträge erreichen Millionen von Menschen. Die Spieleindustrie wandelt sich und scheint zunehmend unter politischem Druck zu stehen. 

Die Hysterie, in allem Nazis und Nationalsozialismus zu sehen, hat auch die deutsche Spielemedienlandschaft nicht verschont. Das PC-Spiel „Kingdom Come Deliverance“ (JF 7/18) wurde von Bloggern und Twitter-Aktivisten wie Jan Heinemann und Robin Schweiger als „rassistisch“ verschrien, weil es in der Handlung einen Mangel an nichteuropäischen Menschen gebe und sich hinter dem Szenenbild des böhmischen Mittelalters ein ethnozentristisches Idealbild verstecken würde. Die Ideologie erhält Einzug in einem Metier, das vorher eigentlich relativ frei von Minderheitenlobbyismus und Neo-Feminismus war.

Sichtbar wurde das ebenfalls im von Bioware entwickelten Spiel „Dragon Age“ mitsamt Nachfolgern, das millionenfach verkauft wurde und auf eine breite Spielerbasis zurückgreifen. Die in der Spielreihe vorgestellten Hauptcharaktere interagieren in der dortigen Fantasywelt vielfach mit sogenannten LGBT-Personen, mit denen der Protagonist wahlweise als Mann oder Frau auch romantische Beziehungen eingehen kann. Im letzten Spiel der Reihe, „Dragon Age Inquisition“ nahm die sexuelle Orientierung der Charaktere noch mehr Bedeutung ein als in den Vorgängern. Vielfach sorgte dies für hitzige Diskussionen in der „Community“, wo kritisiert wurde, daß die Charaktere teilweise gestellt und gezwungen daherkommen und die sexuelle Identität als großer Aufhänger der Spielgeschichte dient. Zu den verschiedenen lesbischen, schwulen und bisexuellen Figuren kam nun ein Transgender-Charakter. LGBT-Rechte und damit Zeitgeistthemen würden plump in eine mittelalterlich inspirierte Fantasyumgebung transportiert, hieß es von seiten vieler Spieler. Beinahe invasiv werden immer mehr sogenannte „Talking Points“ der Neuen Linken in die Spiele hineingetragen. Ein Journalist des britischen Guardian, Alfie Bown, forderte sogar eine neue Ära, in der Videospiele noch „revolutionärer“ und „linker“ sein müßten, um die von Männern dominierte Spielewelt und die konservativen Werte weiter aufzubrechen. 

Für junge Männer waren Videospiele lange Zeit ein Gebiet, in dem sie noch Männer sein durften. Politische Korrektheit existierte bis vor wenigen Jahren kaum oder gar nicht in Videospielen. Jetzt bemerken viele, daß ihre Spielwelten nicht vom globalen Kulturkampf ausgenommen sind, und suchen nach Rückzugsorten fern des um sich greifenden Kontrollwahns. Auf Online-Plattformen wie 4Chan und Reddit tummeln sich diese Spieler und suchen nach Gleichgesinnten. Figuren wie der Youtuber „Sargon of Akkad“, aber auch der kanadische Professor Jordan Peterson fungieren mehr und mehr als identitätsstiftende Vaterfiguren einer sich zunehmend entrechtet und führungslos empfindenden Generation von Männern, die sich in die Enge gedrängt fühlt. Linke Spielejournalisten und Aktivisten wie Anita Sarkeesian sind dagegen prominente Vertreter einer neuen linken Bewegung, die „feministische“ und „progressive“ Videospiele machen will, um die „weiße Mehrheitsgesellschaft“ und das „Patriarchat“ zu bekämpfen. 

Videospiele transportieren mehr denn je kulturell-politische Inhalte und erreichen Hunderte Millionen zumeist junge Menschen. Kein Wunder also, daß der globale Kulturkampf zwischen eher linken und eher rechten bzw. libertären Positionen auch verstärkt in diesem global wachsenden Geschäft stattfindet.