© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Umwelt
Zeit zur Ernte
Volker Kempf

Der Wechsel der Jahreszeiten wird von der Natur bestimmt. Diese läßt die Früchte reifen, der Mensch veredelt sie nur, er hegt, pflegt und wartet zu. Es sind die angenehmeren, nicht aus den Fingern gesogenen „Sommerloch“-Meldungen, wenn, in Vorfreude auf den „Federweißer“ oder „Neuen Süßen“, die ersten gelesenen Trauben in die Kameras gehalten werden. Gibt es Hagel, wird nach dem Ausmaß der Einschläge gefragt, das gehört zu den Launen der Natur dazu. Gibt es Äpfel mit Brandstellen wegen zuviel Sonne, dann gab es zuviel des guten Wetters, womit die Zeitungsspalten mit Spekulationen über eine Mitschuld des Klimamachers Mensch gefüllt werden. Wo Gott tot ist, ist der Mensch an allem schuld. Dann gilt es „Bösewichter“ auszumachen, fern des Gedankens an Vergebung Angeklage zu erheben. Äpfel mit Brand? Ist da die Sonne schuld oder der Klimamacher Mensch?

Oft ist die halbe Menschheit schuld, die andere Hälfte braucht man als Opfer.

Er beklagt Umweltschäden, sucht nach „Sündern“, fährt aber mit dem Auto ins Grüne. Das beklagte schon 1988 der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt in seinem Buch „Der Mensch, das riskierte Wesen“. Geändert hat sich seither an der menschlichen Unvernunft nichts. So viele böse Menschen gibt es gar nicht, wie Gutmenschen meinen, um selbstgerecht die Probleme der Welt anzugehen. Wenn, dann ist jeder selber böse, weil er immer auch ein Teil des Ganzen ist. Abzulesen ist das an den Müllbergen der „Fridays for Future“-Bewegung. Meist ist die halbe Menschheit an allem schuld, die andere Hälfte braucht man als Opfer. Ein Funke Wahrheit ist schon zu finden, weil sich immer auch ein realer Grund für eine Anklage finden läßt, das nennt man selektive Wahrnehmung. Wenn das „Sommerloch“ aus mehr süßen Früchten besteht, weniger aus Anklagen gegen die halbe Menschheit oder das System oder hervorgehobene einzelne Umweltsünder, dann wäre schon viel gewonnen.