© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Der Heimat treu geblieben
Bundesverdienstkreuz: Breslauer Generalkonsul würdigt die Ausdauer deutsch-polnischer Brückenbauer
Paul Leonhard

Daß die ganze Welt vor 30 Jahren wahrnahm, daß in Polen eine deutsche Minderheit existiert – und eine sehr lebendige noch dazu –, ist vor allem dem Gastwirt Richard Urban aus Himmelwitz in Oberschlesien zu verdanken. Der hatte sich einen besonderen Coup ausgedacht, um den von Polens Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki begleiteten Bundeskanzler Helmut Kohl bei dessen Staatsbesuch am 11. November 1989 in Kreisau zu begrüßen. Hielten andere der rund 2.500 angereisten Minderheitenvertreter Schilder hoch, auf denen sie mit den deutschen Namen ihrer Heimatorte grüßten, so stand auf Urbans Plakat: „Helmut, du bist auch unser Kanzler.“

Kohl hatte zwei Tage zuvor seinen Deal mit den deutschen Oberschlesiern geschlossen. Gegen die Zusicherung, deutsche Pässe zu erhalten, versprachen sie dem „Kanzler der Einheit“, in der Heimat zu bleiben. Die meisten der älteren Oberschlesier hielten sich daran. Die Wahrung des deutschen Erbes in Schlesien war ihnen wichtiger als der vermeintlich größere Wohlstand in der Bundesrepublik. Sie kämpften um die Einrichtung deutschsprachiger Schulen und Kindergärten, um zweisprachige Ortsschilder und um Sitze in den Gemeinderäten und im Sejm.

Daß sich die Deutschen in Oberschlesien auf einmal ganz öffentlich als Deutsche zu erkennen geben durften, gab ihnen ungeheuer Auftrieb. Zwischenzeitlich gewann die Minderheit in der Region Oppeln die Kommunalwahlen in 31 Gemeinden, wurde 2002 zweitstärkste Kraft im Woiwodschaftsparlament. Warschau akzeptierte zähneknirschend zweisprachige Ortseingangsschilder. Himmelwitz (Jemielnica) bei Groß Strehlitz, jene Gemeinde aus der Richard Urban stammt, gehört zu den Gründungsorten der organisierten deutschen Minderheit in Oberschlesien.

In Urbans Gasthof „Eka – An der Ecke“ fanden ab 1988 die ersten, noch illegalen, Treffen statt. Bei der Gründungsversammlung der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in Straduna wird er an der Seite von Johann Kroll in den Vorstand gewählt. Es ging den Aktivisten um die Pflege der deutschen Kultur, Traditionen und Sprache, aber auch darum, den Landsleuten das Gefühl zu geben, im polnisch gewordenen Oberschlesien als Deutsche anerkannt zu werden. 

„Am Anfang haben wir uns zum Singen getroffen“, erzählt Urban. Noch heute singt er leidenschaftlich gern, notfalls allein, wenn er mit seinem Auto durch die Heimat fährt und sich über die seit 2010 aufgestellten zweisprachigen Ortstafeln freut. Den Gasthof in Himmelwitz führt heute sein Sohn, ein anderer Sohn verantwortet als Chefredakteur das zweisprachige Wochenblatt und setzt so die Arbeit seines Vaters als Brückenbauer fort.

Die Sprache darf nicht verlorengehen

Daß er gemeinsam mit seinem alten Mitstreiter Jan Lenort aus Groß Stein für das lange Ringen um die Anerkennung der deutschen Minderheit durch den polnischen Staat mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik geehrt wird, erfuhr Richard Urban kurz nach seinem 85. Geburtstag. „Mein Ritterkreuz“, spöttelt er. Tatsächlich entspricht das Bundesverdienstkreuz der internationalen Klasse des Ritterkeuzes.

Verliehen wird es am 11. September durch den deutschen Generalkonsul in Breslau, Hans Jörg Neumann. Der würdigt auch auf der Internetseite ausdrücklich die Bedeutung der Minderheit „für unsere bilaterale Arbeit“. Und er erinnert sich der alten Kämpfer für den Erhalt der deutschen Kultur. Erst im März war Helmut Johann Paisdzior, der von 1991 bis 2005 für die deutschen Minderheit im Sejm saß, mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften (VdG) hat heute mehr als 200.000 Mitglieder. Urban könnte also zufrieden sein, wenn es nicht ein Problem gäbe: Viele Oberschlesier besitzen zwar den bundesdeutschen Paß, verfügen aber nur über rudimentäre Deutschkenntnisse. „Wenn wir die Sprache verlieren, sind wir verloren“, hat Urban einmal weitblickend gesagt: „Wir hören auf, Deutsche zu sein.“

Ähnlich wie bei Paisdzior wird der Generalkonsul wohl auch bei der Würdigung von Urban und Lenort deren „unermüdlichen Einsatz“ für die „Stärkung der Rechte der deutschen Minderheit in Polen“ loben. Urban wird dann stolz zu seiner Frau und seinen Söhnen blicken und ein paar Tränen der Rührung wegwischen.