© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 37/19 / 06. September 2019

Knapp daneben
Ein Polizist wie du und ich
Karl Heinzen

Am 12. Oktober heißt es Daumendrücken für das „Kommando Vollgas“. Auf dem Canstatter Volksfest präsentiert das schwäbische Gesangsduo seinen Sommerhit „Wir sind Bierfans“. Schlägt er auch hier ein, ist das große Ziel nicht mehr fern. Gut eine Woche später steigt das traditionelle Bierkönig-Closing auf Mallorca. Wer dort dabei ist, darf sich zu den ganz Großen der Ballermannkultur zählen.

Das Potential dazu hat der kraftvolle Schlager allemal. „Es wird eskalieren / wir wollen feiern / tagelang nur feiern“ ist ein Motto, das die Partystimmung nicht nur auf der deutschen Ferieninsel anheizen kann. In einer Zeit, da unsere Gesellschaft von Spaltung bedroht ist, beschwört das Lied mit eindringlichen Worten die Werte des Zusammenhalts, der sich im Trinken bewährt und auch in der Besinnungslosigkeit nicht endet. Der Schluß des Videoclips, der im Durst weckenden Ambiente der Löwenbrauerei Hall gedreht wurde, zeigt die beiden Musiker, wie sie inmitten der Fässer und Bierkästen selig schlummern. Bilder des Friedens in einer von Haß und Gewalt bedrohten Welt.

Das Ansehen der Polizei wird dadurch beschädigt, daß sie unbescholtene Bürger drangsaliert.

Das „Kommando Vollgas“ steht aber nicht allein wegen seiner Gesangskünste im Rampenlicht. Einer der beiden Musiker, der 28 Jahre alte Dominik Holl, ist Streifenpolizist in Backnang. Seinem Polizeipräsidenten war das Trinklied nicht geheuer. Daher ließ er seine Rechtsabteilung prüfen, ob ein Verstoß gegen die Dienstpflichten vorliegt. Offenbar sind die Juristen nun zu dem Schluß gekommen: Es ist alles in Ordnung. Bloß weil ein Polizist im Privatleben als Künstler das Komasaufen ein klein wenig verherrlicht, beschädigt er damit nicht gleich das Ansehen der Polizei an sich.

Diese Bewertung ist so überraschend wie richtig. Das Ansehen der Polizei wird dadurch beschädigt, daß sie unbescholtene Bürger wegen harmloser Ordnungswidrigkeiten drangsaliert, während sie bei wirklichen Rechtsbrechern oft beide Augen zudrückt. Ein Dominik Holl verkörpert hingegen einen Polizisten, dem das Lebensgefühl der Menschen, die er schützen soll, noch nicht fremd geworden ist. Wer hätte gedacht, daß es so jemanden noch gibt?