© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Brexit-Drama
Charaktertest für Johnson
Thorsten Brückner

Vor mehr als drei Jahren votierte eine Mehrheit der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union. Doch nach zwei Brexit-Aufschüben ist das Land noch immer Mitglied. Geht es nach der Labour-Partei, den Liberaldemokraten und einigen Tory-Abweichlern, soll sich daran auch sobald nichts ändern. Der Wille des Volkes ist den EU-Fanatikern in Westminster herzlich egal. Mit einem Gesetz, das Premierminister Boris Johnson zwingt, bei der EU um einen weiteren Brexit-Aufschub zu bitten, sollte er bis 19. Oktober keine Einigung mit Brüssel erzielen, hat das Unterhaus dem Premierminister die Hände gebunden.

Für Johnson wird der letzte Akt des Brexit-Dramas zur Charakterfrage. Der Premierminister verfügt über ein klares Mandat direkt vom britischen Volk. Er sollte es nutzen, um seinen markigen Ankündigungen, das Land unter allen Umständen bis Ende Oktober aus der Brüsseler Fremdbestimmung zu führen, Taten folgen zu lassen. Sollte er einknicken und den Austritt abermals verschieben, hätte das gravierende Auswirkungen auf das Vertrauen der Briten in ihre Demokratie. Noch schlimmer wären für Johnson allerdings die Konsequenzen für seine Konservative Partei. Liefert er nicht, steht Nigel Farage und dessen Brexit-Partei bereits in den Startlöchern, um das britische Parteiensystem vom Kopf auf die Füße zu stellen.