© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

CD-Kritik: Arthur Honegger
Entflammte Jeanne
Jens Knorr

Der Heiligen sind wenige, der Inquisitoren viele. Und viele sind auch der Heiligen, die von den Nachfolgern ihrer Inquisitoren heiliggesprochen und von den Nachfolgern ihrer Henker zu Nationalheiligen erklärt wurden.

Im Auftrag der Tänzerin, Schauspielerin und Choreographin Ida Rubinstein komponierte Arthur Honegger 1934/35 das Oratorio dramatique „Jeanne d’Arc au bûcher“ auf ein Libretto von Paul Claudel. Nach dem Ende der deutschen Besatzung erweiterten sie die Partitur um den Prologue, der Jeanne als Einigerin eines zweigeteilten Landes huldigt.

Der Konzertmitschnitt aus dem Concertgebouw Amsterdam aus dem Vorjahr ist eine Reverenz-Aufnahme vor allen andern wegen der überragenden Judith Chemla, ihrer kindlich widerständigen Stimme, der kontrollierten Ekstase, der geformten Spontaneität ihres Spiels und Zusammenspiels mit dem Frère Dominique des Jean-Claude Drouot auf der Hörbühne.

Daß die synkretistische Partitur keinen Takt lang abgestanden klingt, verdankt sich Dirigent Stéphane Denève am Pult des Royal Concertgebouw Orchestra, der den musikalischen Apparat, alle Stimmen des Himmels und der Erde zusammenhält und sogmächtig den Spannungsbogen von Beginn bis zur Apotheose der entflammten und entflammenden Jeanne schlägt. Das ist Transzendierung von Religion in Kunst!

Arthur Honegger Jeanne d’Arc au bûcher RCO Live (Warner) 2019  rcoamsterdam.com  warnerclassics.com