© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Die Titelseite der SZ – des Süddeutschen Beobachters (Michael Klonovsky) – meldet: „Fahndung nach Hautfarbe wird möglich“! Sofort denke ich an die Vernissage vom Vorabend, als im Künstlerhaus Bethanien die Schau „Milchstraßenverkehrsordnung (Space ist the place)“ eröffnet wurde – mit einem kräftig gebauten Mann am Eingang, der auf meine Nachfrage seine Tätigkeit wie folgt erklärt: „Ich würde das eher eine Türsteher-Performance nennen.“ So gelassen und humorvoll diese Antwort ist, so denunziatorisch, geradezu stalinistisch erscheint die vorausgegangene Reaktion des aus der Anonymität agierenden afrodeutschen Kollektivs „Soap du Jour“, das dem Ausstellungsmacher Christoph Tannert eine widerrechtliche Aneignung afrofuturistischer Traditionen vorwirft. Dabei kommen die selbsternannten Fahnder ohne aufwendige DNA-Auswertung zu ihren Schlüssen, wenn es darum geht, angeblichen „Rassismus“ aufzuspüren, da in der Ausstellung – so die eindeutige Beweisführung der bis heute völlig anonymen Ankläger – „18 weiße Männer, drei weiße Frauen und ein nicht-weißer Künstler aus Singapur“ vertreten seien. Bediene sich doch der in Klammern stehende Ausstellungs-titel beim afrofuturistischen Erbe des Jazzmusikers Sun Ra. Genauso gut könnte sich der polnische Botschafter wegen der bei Stanislaw Lem entliehenen „Milchstraßenverkehrsordnung“ beschweren, da kein polnischer Künstler vertreten ist. Dabei erscheinen die infamen Ankläger als die wahren Rassisten, vergleichbar jenem Sputnik-Beitrag Ende der 1980er Jahre, als ein US-amerikanischer Orchesterleiter mit dem sowjetischen Gast-Dirigenten über Antisemitismus streitet. Als der russische Orchesterleiter erklärt, bei ihm gäbe es sowas nicht, schließlich habe er genau vier Juden im Orchester, entgegnet der US-Kollege: „Sehen Sie, und ich weiß gar nicht, wer in meinem Orchester Jude ist, weil mich das gar nicht interessiert.“ 


Entsprechend peinlich wirkt auch der provozierende Auftritt des afrodeutschen Wort- und Multimedia-Artisten Michael Küppers-Adebisi im Streitgespräch mit Kurator Tannert, in dem Küppers-Abedisi die deutsche Mehrheitsgesellschaft als „Whiteys“ verspottet. Spräche ich ihn analog als „Blacky“ an, folgte wohl eine Rassismus-Anklage. Überhaupt – so der unerträglich gespreizt sprechende Performance-Zampano – verorte sich jeder, der „Respekt“ einfordert, in der schwarzen Kultur. Das ist aber kein Grund, schwarz zu sehen: Zur Finissage am 15. September doziert Jens Balzer über den „Sound und Geist der 70er“ und wird selbst auflegen. Merke: White Supremacy rules.