© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Ein „Duff“ im Dittsche-Bademantel
Zahlreiche fiktionale Produkte aus Film und Fernsehen schaffen es in die Realität
Boris T. Kaiser

Fernsehserien waren immer schon eine Möglichkeit, sich aus dem tristen Alltag in eine andere vermeintlich spannendere Welt zu flüchten. Für alle, die ein bißchen was von der faszinierenden und schillernden Szenerie jenseits der Mattscheibe mit ins „Diesseits“ nehmen wollen, gibt es ein ausgedehntes Angebot an offiziellen und inoffiziellen Fan-Artikeln. Oft sind es Produkte, die in den TV-Geschichten selbst vorkommen und konsumiert werden. Wer sich ein wenig umschaut, wird mit Sicherheit schnell fündig werden. Vor allem im Internet. Die gestreifte Kaffeetasse, aus der Charlie Harper in „Two and a Half Men“ seinen morgendlichen Katerkaffee trinkt, Schnapsgläser mit dem Schriftzug von „MacLaren’s Pub“ aus „How I Met Your Mother“, die Baseballkappe, die der kleine Dustin in der Science-fiction-Mysteryserie „Stranger Things“ trägt. Alles nur ein paar Klicks entfernt.

Die Kult-Zeichentrickserie „Die Simpsons“ dürfte in dieser Form der Vermarktung wohl weitgehend unerreicht sein. Es gibt kaum etwas von und aus der Serie, was es in der realen Welt nicht zu kaufen gibt. Dazu muß man sich nicht einmal ins Netz begeben. Der Lebensstil der gelben Bewohner von Springfield scheint fast allgegenwärtig – in Bahnhofsshops, Kaufhäusern, bei etlichen Straßenhändlern weltweit. Das „Duff“-Bier, das Homor Simpson und seine Freunde mit großem Genuß und in noch größeren Mengen in sich reinschütten, kann man in vielen ganz normalen Supermärkten erwerben. In Myrtle Beach in South Carolina wurde im letzten Jahr sogar der weltweit erste „Kwik-E-Mart“ eröffnet und damit aus der Cartoon-Wirklichkeit in die reale Welt transportiert. Im Angebot unter anderem aus dem Serienladen bekannte „Original“-Artikel wie: Buzzzz Cola, die süßklebrigen Donuts und Sirup-Squishee-Shakes sowie die im Laden von Apu Nahasapeemapetilon stets leicht trocken vor sich hinbrutzelnden „Heat-Lamp“-Hotdogs. Bereits 1996 eröffnete die Restaurantkette Bubba Gump Shrimp Company, benannt nach dem Krustentierkonzern aus dem Film „Forrest Gump“ mit Tom Hanks.

Die Produzenten der Reihe „Breaking Bad“ und ihres Vorgeschichten-Ablegers „Better Call Saul“ warben für ihre Produktionen, indem sie unter dem Namen des aus der Serie bekannten Hähnchen-Grills „Los Pollos Hermanos“ sogenannte „Pop-up-Lokale“ eröffneten. Das sind Geschäfte, die an einem bestimmten Ort nur für kurze Zeit eröffnet werden. 

Auf einen Äppelwoi im „Blauen Bock“

Deutsche Serien tun sich noch schwer mit der Vermarktung von ursprünglich nur fiktiven Produkten in der real existierenden Marktwirtschaft. Erste zaghafte Versuche gibt es aber auch hier. Bei Amazon gibt es einen Bademantel zu kaufen, der an das Frottiergewand erinnert, das der Schauspieler Olli Dittrich in seiner Paraderolle als „Dittsche“ trägt, während er seine genialen Mono- und Dialoge in der „Eppendorfer Grillstation“ zum besten gibt. Den Imbiß gibt es in Hamburg übrigens auch wirklich. Allerdings nicht als „Pop-up-Shop“, sondern als Dauerinstallation und weitgehend unabhängig von dem WDR-Format. Aber der „Weltladen“ wurde über die Jahre natürlich zum Wallfahrtsort für Fans aus der ganzen Republik. Ein Schicksal, das dem „Goldenen Handschuh“, der real existierenden Kiezkneipe aus Heinz Strunks verfilmten gleichnamigen Erfolgsbuch, vielleicht noch blüht.

Auch das Straßenschild der „Lindenstraße“ gibt es selbstverständlich zu kaufen oder ein Kochbuch mit vermeintlichen Rezepten des Clubrestaurants „Mauerwerk“ aus der Soap „GZSZ“. Aber da wäre mit etwas Geschäftssinn noch mehr drin. Putzschwämme und Kleidungsstücke aus „Der Tatortreiniger“ oder Pudelmützen und Jeanswesten à la Tom Gerhardt gehen immerhin schon in die richtige Richtung. Aber wie wäre es mit den Original-Kopftüchern aus „Türkisch für Anfänger“ oder „4 Blocks“? 

TV- und Netflix-Hits wie „Babylon Berlin“, „Dark“ oder „Deutschland 83“ könnten dem Einzelhandel zudem einen neuen Retro-Trend in Sachen Mode und Inneneinrichtung bescheren. Und auch Klassiker wie die TV-Gaststätte „Zum Blauen Bock“ schreien nur nach einer Wiedereröffnung mit passendem Äppelwoi. So wie der „Forellenhof“ aus dem gleichnamigen Straßenfeger der sechziger Jahre, der 2015 seine Türen erneut öffnete.

Warum nicht auch wenigstens ein kleines Tischfeuerwerk von den Produzenten von „Alarm für Cobra 11“? Die Möglichkeiten sind schier endlos. Also bitte, liebe deutsche TV-Fabrikanten: Action!