© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank
Die Enteignung geht weiter
Joachim Starbatty

Mario Draghi hat sich durchgesetzt. Wieder einmal. Aber nicht ganz. Vor der Entscheidung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte Bundesbankpräsident Jens Weidmann protestiert. Draghi wollte den Banken einen Einlagenzins von -0,6 Prozent aufdrücken, um sie zu höherer Kreditvergabe zu zwingen, und wieder Staatsanleihen in Höhe von zusätzlich 40 Milliarden Euro monatlich aufkaufen, um den überschuldeten Eurostaaten den Zugang zu billigem Geld freizuhalten. Bewilligt bekommen hat er -0,5 Prozent und ein Ankaufvolumen von 20 Milliarden. Dabei schwimmen die Märkte in Liquidität, weshalb Vertreter stabilitätsorientierter Zentralbanken darin keinen Sinn sehen.

Draghi hat sich seine Mehrheit bei den kleineren überschuldeten Mitgliedstaaten geholt. Länder wie Zypern haben im Zentralbankrat eine Stimme wie Deutschland – einzigartig in der Welt der Finanzen. Schlimmer noch. Unsere Kanzlerin schweigt und deckt so die Geldpolitik Draghis. Unsere Politiker sagen: Wir haben der EZB nicht die Unabhängigkeit eingeräumt, um sie jetzt zu gängeln, daher müssen wir sie gewähren lassen. Ja, zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags, aber nicht zur Enteignung deutscher Sparer.






Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty ist emeritierter VWL-Professor. Er war bis 2013 Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft.