© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Zum Wohl – vor allem dem eigenen
Werner Becker

Das Thema ist ein Dauerbrenner im Norden: die Finanzierung der Wohlfahrtsverbände. Zuständig ist eigentlich das SPD-geführte Sozialministerium. Aber was genau wird da gesteuert? Und wie? Mit diesen Fragen beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahren ein von der AfD ins Leben gerufener Untersuchungsausschuß. Zuvor war beim Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (Awo) ein Skandal nach dem anderen öffentlich geworden. So hat die Awo mehrere Kitas im Land aus Kostengründen geschlossen, während sie auf Mallorca eine Kita betreibt, die laut Ostsee-Zeitung von Promi-Kindern besucht wird. 

Medienberichten zufolge haben außerdem Staatsanwaltschaft und das Sozialministerium bestätigt, daß Zahlungen der Bewohner im Awo-Pflegeheim in Penzlin überprüft werden. Der Vorwurf: Die Awo habe ihren Bewohnern jahrelang eine Investitionspauschaule in Rechnung gestellt, ohne entsprechende Gegenleistungen zu bieten. Pikant: Kreisverbandsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt war Dagmar Kaselitz (SPD) – heute Integrationsbeauftragte des Landes, angesiedelt im Sozialministerium. Die Prüfung durch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue dauert an.

Damit nicht genug: Der ehemalige Geschäftsführer der Awo-Müritz, Peter Olijnyk, hatte sein eigenes Gehalt zuletzt auf 150.000 Euro im Jahr heraufgesetzt. Dazu kamen noch „Tantiemen“ von rund 35.000 Euro. Die dazu nötigen Verträge hatte stets der damalige Kreisvorsitzende Götz-Peter Lohmann unterzeichnet, der auch Vize-Landeschef der Arbeiterwohlfahrt war und für die SPD im Bundestag saß. Das Oberlandesgericht Rostock verurteile Olijnyk dazu, das unrechtmäßig bezogene Geld – rund 390.000 Euro – an den Kreisverband zurückzuzahlen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin ermittelt weiterhin gegen ihn und Lohmann. Besonders heikel: Im Zeitraum, in den ein Teil der Vorwürfe fallen, war die heutige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig noch Sozialministerin – also für die Kontrolle verantwortlich. 

In Niedersachsen gibt es ein Wohlfahrtsgesetz, in dem die Verantwortlichkeiten und auch die Verteilung der Fördergelder klar geregelt ist. In Mecklenburg-Vorpommern gab es ein solches Gesetz bisher nicht. Und gerade die Verteilung der Gelder wirft Fragen auf: Allem Anschein nach wurde sie zwischen den Wohlfahrtsverbänden Anfang der neunziger Jahre ausgeknobelt und seitdem beibehalten. Nun stieg der Druck auf die Landesregierung offenbar: In der jüngsten Plenarsitzung beschloß der Landtag ein Wohlfahrtsgesetz. „Ich verfolge mit der Gesetzesinitiative ganz klare Ziele: Mehr Transparenz, Steuerung und Verläßlichkeit im Bereich der Wohlfahrtsfinanzierung“, sagte Sozialministerin Stefanie Drese (SPD). Das sieht der sozialpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Thomas de Jesus Fernandes, ganz anders. „Dieses Gesetz ist reine Augenwischerei. Hätte es das Gesetz schon früher gegeben, hätte es nichts von dem verhindert, was geschehen ist. Wir müssen nicht nur die Landesverbände der Wohlfahrtspflege kontrollieren, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Die eigentliche Arbeit geschieht auf Kreisebene.“ Das Thema wird das Land wohl noch eine Weile beschäftigen. Und die Arbeit des Untersuchungsausschusses ist noch lange nicht am Ende.