© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Hongkong stellt London nach
Börsenfusion: Kommt nach der deutsch-englischen Verlobung die Hochzeit mit den Chinesen?
Thomas Kirchner

Zwei Jahre ist es her, seit die EU die Fusion der Deutschen Börse mit ihrem Londoner Konkurrenten LSE untersagte. Es war der dritte Fusionsversuch der beiden seit 2000. Jetzt versucht sich die Hongkonger Börse mit 30 Milliarden Pfund an der LSE. Nur 48 Stunden nach der ersten Offerte ging HKEX-Chef Charles Li an die Öffentlichkeit. Der Zeitpunkt ist günstig, denn das Pfund steht niedrig zum US-Dollar, an den der Hongkong-Dollar gekoppelt ist. Politisch ist der Zeitpunkt ungünstig: Die Ablehnung der Offerte durch die Londoner bewies dem KP-Organ Chinesische Volkszeitung, daß Hongkong nicht unabhängig bleiben könne. Zur Freude der KP bevorzugen die Briten ihre Kooperation mit der Börse von Shanghai.

Nun schließt eine Fusion mit HKEX nicht die weitere Kooperation mit Shanghai aus. Es könnte sogar im Interesse von Chinas Mandarinen sein, Hongkong noch stärker in das westliche Finanzsystem zu integrieren. Hongkong ist nicht nur ein Börsenplatz für Asien und Europa, sondern das Tor zu China, durch das chinesische Firmen internationale Kapitalmärkte anzapfen. Shanghai hingegen bleibt ein rein chinesischer Börsenplatz, zu dem Ausländer immer noch nur begrenzt Zugang haben. Nach dem Brexit wird London als Offshorezentrum direkt mit Hongkong konkurrieren. London würde durch eine Fusion zum Finanzplatz mit direktem Zugang zu Asien, könnte im Konkurrenzkampf Frankfurt und Zürich links liegenlassen. 

Einige Hürden bleiben zu überwinden. Die LSE nennt eine Vielzahl: Strategie, Machbarkeit, drei Viertel der Zahlung in Aktien sowie die Bewertung. Die Regierung Hongkongs besitzt über fünf Prozent der Anteile von HKEX und ernennt sechs der 13 Aufsichtsräte – der britischen Aufsicht ist das ein Dorn im Auge. Die LSE ist außerdem gerade dabei, die Handelsterminals von Refinitiv, einst eine Vorzeigesparte von Reuters, von Blackstone für 22 Milliarden Pfund zu erwerben. Der HKEX möchte diesen Verkauf verhindern, Eine weitere Komplikation: der Kaufvertrag beschränkt Verhandlungen mit anderen Parteien. 

HKEX-Chef Charles Li scheint fest entschlossen, das zu vollenden, woran die Deutsche Börse scheiterte. Unter den strengen britischen Übernahmegesetzen hat Li nach der Ablehnung nur 28 Tage, ein formelles Angebot an die Aktionäre abzugeben. Bei einer solchen feindlichen Übernahme wäre, je nach juristischer Form, mindestens eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, um die Übernahme zu besiegeln. Es sieht so aus, als wolle Li diesen Weg beschreiten. 15 Großaktionäre des HKEX kontrollieren insgesamt 35 Prozent der LSE. Eine Schlüsselrolle kommt Katar zu: es besitzt mehr als zehn Prozent der Anteile an der LSE. Es wird sicherlich nicht einfach, aber Li könnte die nötige Unterstützung erreichen.

 www.lse.ac.uk

 www.hkex.com.hk