© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

„Nicht nur ein weiterer Ausspielkanal“
TikTok: Die unter Jugendlichen immer populärer werdende App weckt auch das Interesse von Medienhäusern
Björn Harms

Unter Jugendlichen ist die mobile App TikTok (JF 7/19) derzeit extrem populär. Ähnlich wie bei Snapchat können die Nutzer hier selbsterstellte Videos teilen, die eine Länge von bis zu 15 Sekunden haben. Diese können sie durch zahlreiche Filter und Effekte bearbeiten. Auch das Drumherum ähnelt anderen Social-Media-Plattformen. Es werden fleißig Kommentare geschrieben, Videos geliket und virtuelle Freundschaften geschlossen. Über Hashtags bekommt man auf der Hauptseite mit, was gerade im Trend liegt. Doch mit einigen Möglichkeiten hebt sich die Plattform auch von anderen Anbietern ab. 

So können Videos heruntergeladen oder direkt auf Twitter, Instagram und Whatsapp geteilt werden. Zudem ist es möglich, Liveübertragungen zu starten. Das nutzen mittlerweile zahlreiche junge „Influencer“, um mit ihren Fans zu kommunizieren. In diesen Unterhaltungen können die Anhänger ihren Stars virtuelle Münzen zukommen lassen, für die sie echtes Geld zahlen. Damit wird die App natürlich auch für Medienhäuser interessant. Einen ersten Testaccount unterhält etwa die Washington Post. Ein Redakteur führt hier in selbstironischer Weise durch den Alltag des Verlags. In Deutschland ist der WDR-Radiosender 1Live auf der Plattform vertreten. Deren Digitalchef  Robert Rack spricht davon, daß TikTok „nicht nur ein weiterer Ausspielkanal“ ist. Nutzer könnten hier direkt mit den Inhalten von 1Live interagieren und „Neues daraus kreieren, statt nur ein Video zu rezipieren“, erklärt er. „Bisher haben wir mit TikTok über 45 Millionen Views erzielt und einen Abonnentenstamm von 245.000 Nutzern aufgebaut.“

Entwickelt wurde die App vom chinesischen Unternehmen ByteDance, dem derzeit höchstbewerteten Start-up der Welt. Eine Sprecherin versichert jedoch, daß auf Datenschutz geachtet werde: „TikTok ist in China nicht verfügbar und die chineische Regierung hat keinen Zugriff auf die Benutzerdaten“, verspricht sie. In Europa zählt TikTok rund 17 Millionen monatlich aktive Nutzer, in Deutschland soll sich die Zahl auf etwa vier Millionen belaufen – Tendenz steigend. 

Derzeit umweht die App noch eine Art anarchistischen Charme. Das könnte sich mit dem Einstieg von Politik und Medien, die den Reiz der App langsam für sich entdecken, schon bald ändern.