© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  KG  www.jungefreiheit.de 39/19 / 20. September 2019

Eduard Spranger: Fachbildung ist Menschenbildung
Realistischer Visionär
(dg)

In der jüngeren Geschichtsschreibung der deutschen Erziehungswissenschaft gilt der Berliner Pädagoge Eduard Spranger (1882–1963) als ähnlich negative Symbolfigur seines Faches wie Martin Heidegger für die Philosophie oder Carl Schmitt für die Staatsrechtslehre. Als Konservativer, verhaftet nach dem 20. Juli 1944 wegen seiner Beziehungen zu Ludwig Beck und Ulrich von Hassell, wird Spranger, der bis 1945 in Berlin und danach in Tübingen lehrte, notorisch zur „Potsdamer NS-Fraktion“ gerechnet.

Um so verwunderlicher ist es, wenn ein Porträt Sprangers in einer dem Thema „Vorbilder“ gewidmeten Ausgabe der Kulturzeitschrift Universitas (8/2019) auftaucht. Der Verfasser, der emeritierte Didaktiker Wolfgang Hinrichs, Jahrgang 1929, ist allerdings als einer letzten Schüler des „realistischen Visionärs“ gegen den herrschenden Zeitgeist immun und kann ihn daher als einen der „Erfinder“ der Berufsschule und Wegbereiter der dualen Ausbildung positiv würdigen. Dabei habe Spranger „Fachbildung“ stets als die bürgerliche Demokratie festigende Menschenbildung verstanden. Nach 1968 sei dieses pädagogische Ethos aber verschwunden. Statt „überökonomischer Menschenbildung“ habe die Ökonomisierung aller Lebensbereiche auch den Bildungssektor erfaßt, wo von Lehrern und Schülern „Manager-Mentalität“ gefordert würden, um im „Großbetrieb“ Schule wie später im Beruf optimal zu funktionieren.