© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Herbert Kickl könnte der entscheidende Faktor für die neue Regierung in Wien werden
Mastermind der FPÖ
Bernhard Tomaschitz

Glaubt man den österreichischen Gazetten, dann ist er der gefährlichste Mann der Alpenrepublik. Die Rede ist von Herbert Kickl, dem Ex-Innenminister und jetzigen Fraktionschef der FPÖ im Nationalrat, also dem Parlament. Der 50jährige Kärntner, so etwa die Tageszeitung Die Presse, habe als Minister den Aufbau eines „Überwachungsstaats“ prüfen lassen.

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ließ bereits Ende Juni wissen, er halte Kickl als Innenminister nicht mehr für geeignet, und der auf seine links-grüne Klientel bedachte Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte, er würde den Freiheitlichen in dem Amt nicht mehr vereidigen. Es scheint, als hänge eine mögliche Neuauflage von Türkis-Blau nach der Nationalratswahl am Sonntag einzig von der Person Kickls ab.

Was hat Kickl nun „verbrochen“? Er hat als Innenminister freiheitliche Politik gemacht, setzte von Anfang an etwa auf Null-Toleranz bei illegaler Einwanderung und ließ eine eigene Grenzschutzeinheit aufstellen. Dabei machte er sich nicht nur Freunde – etwa beim alten, schwarzen Teil der neuen, türkis gewendeten ÖVP, die der Koalition mit der FPÖ immer skeptisch bis ablehnend gegenüberstand. Das Faß zum Überlaufen gebracht hatten seine Versuche, die schwarzen Seilschaften und Netzwerke im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ans Licht zu bringen. Denn von 2000 bis 2017 stellte die ÖVP und bis auf eine kurze Unterbrechung deren mächtiger nieder­österreichischer Landesverband den Innenminister und war damit für das BVT verantwortlich. Zum Verständnis: Die ÖVP Niederösterreich hat in der Alpenrepublik viel mehr Einfluß als die CSU in der Bundesrepublik. 

Interessant ist Kickls Werdegang: Nach dem Wehrdienst bei den Gebirgsjägern studierte er in Wien unter anderem Philosophie. Seitdem gilt der Vater eines Sohnes als bekennender Hegelianer. Mitte der neunziger Jahre kam Kickl zur FPÖ, wo er rasch zum Redenschreiber des damaligen Parteiobmanns Jörg Haider avancierte. Als der 2005 das BZÖ abspaltete, wurde Kickl FPÖ-Generalsekretär – und viele meinen, damit der Intellektuelle zum „Mastermind“ der Freiheitlichen. Bis 2017 war er maßgeblich für die blauen Wahlkämpfe und so den Aufstieg der Strache-FPÖ verantwortlich.

Spannend wird, ob die ÖVP, sofern sie wieder mit der FPÖ koaliert, an ihrer Ablehnung Kickls festhält. Eine Lösungsmöglichkeit wäre dann, daß der Sportbegeisterte, der bereits mehrere Triathlons, darunter auch Extrem-Langstrecken-Wettkämpfe, erfolgreich bestritten hat, statt eines Ministeramts die Führung der FPÖ-Fraktion übernimmt. Eines steht aber fest: Kickl wird weiterhin eine wichtige Rolle in der Partei spielen, denn seine von Medien herbeigeschriebene „Rivalität“ mit dem neuen FPÖ-Chef Norbert Hofer entspringt dem Wunschdenken des politischen Gegners.