© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

In aller Öffentlichkeit
Hausbesetzer: Die linke Szene in Berlin mobilisiert für Aktionstage „TuMalWat“ / Unterstützernetzwerk reicht bis in die Universitäten
Björn Harms

Die Aufforderung ist eindeutig: „Besetzt vom 26. bis 29. September Häuser, Wohnungen, Büros und öffentlichen Raum. Uns gehört die Stadt!“, heißt es in einer derzeit kursierenden Ankündigung aus der Hausbesetzerszene Berlins. Ein Bündnis linksradikaler Gruppen ruft zu sogenannten „TuMalWat“-Aktionstagen auf – und die Vorbereitungen dafür laufen bereits auf Hochtouren: Eine letzte Vollversammlung, bei der man das genaue Vorgehen diskutierte, hatte erst Mitte August im Mehringhof in Kreuzberg stattgefunden, dem bekanntesten Treffpunkt der vom Verfassungsschutz beobachteten Interventionistischen Linken.

Grüne und Linke wollen die „Berliner Linie“ aufweichen

Initiatoren der Aktionstage sind unter anderem die Hausbesetzer-Wohnprojekte „Rigaer94“ und „Liebig34“ in Friedrichshain, das linksautonome Jugendzentrum „Potse“ in Schöneberg und der Zusammenschluß „#besetzen“, der für Samstag sogar zu einer öffentlichen Hausbesetzung aufruft. Die entsprechende Pressemitteilung macht deutlich, was sich die linke Szene in Berlin mittlerweile traut: „Anders als bei unseren vorherigen Besetzungen wollen wir dieses Mal mehr Menschen ermöglichen, Teil davon zu sein und werden deshalb zu öffentlichen Treffpunkten einladen“, heißt es.

Der Plan: Möglichst viele Leute zu mobilisieren, damit es „auch mal möglich ist, ein Objekt länger zu halten“. Auf lange Sicht soll eines der zentralen Anliegen der linken Szene erreicht werden: die Aufweichung der sogenannten „Berliner Linie“, die 1981 vom Berliner Senat entwickelt worden war. Gemäß dieser sollen neu besetzte Häuser innerhalb von 24 Stunden von der Polizei geräumt werden, wenn ein Räumungsbegehren des Haus-eigentümers vorliegt, ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt wurde und ein komplettes Finanzierungs- und Nutzungskonzept vorhanden ist. Daran werde künftig weiter festgehalten, versichert die Senatsverwaltung für Inneres der JUNGEN FREIHEIT. Grüne und Linke halten diese Leitlinie jedoch für überholt und verteidigen die Anliegen der linksradikalen Hausbesetzer. Das spreche Bände, beklagt der innenpolitische Sprecher der Berliner AfD, Karsten Woldeit, im Gespräch mit der JF. Häufig genug werde die Gewalt der Hausbesetzer verharmlost. „Anstatt rigoros und mit null Toleranz dagegen vorzugehen, nimmt der Senat Rücksicht auf Belange von Teilen der Koalition, die offen mit diesen Linksextremen sympathisieren, mitunter sogar polizeiliche Maßnahmen unter dem Schutz des Abgeordnetenmandates behindern.“ 

Bereits im Frühjahr dieses Jahres waren in Berlin einige Häuser und Wohnungen besetzt worden, die von der Polizei jeweils schnell geräumt wurden.  Generell seien „Teilräumungen, wie zum Beispiel das Räumen einzelner Wohnungen, in Berlin regelmäßig zu verzeichnen“, heißt es von seiten des Senats.

Für den Pressesprecher der Initiative #besetzen, Luca Wilmers, ist jedenfalls klar: „Eigentum und Wohnungsmarkt sind keine Naturgesetze.“ Mit welchen Mitteln man nun dagegen vorgehen will, ist öffentlich einsehbar: „Steine schmeißen braucht’s immer noch“, heißt es auf der Internetseite von „TuMalWat“. An anderer Stelle: „Wir wollen schon im Vorfeld für eine militante Kampagne werben. Die Nächte sind warm und nicht mehr allzu lange hell.“ Zusätzlich wirbt das Bündnis dafür, bei Polizeimaßnahmen nach einer möglichen Hausbesetzung am Samstag, „den Bullen Namen und Meldeadressen nicht zu sagen“. Die Polizei ist eigenen Angaben zufolge gut darauf vorbereitet und hat „bereits erste polizeiliche Einsatzmaßnahmen getroffen“.

Mitunter reicht das Netzwerk der Hausbesetzer bis in die Berliner Universitäten. Am Sonntag fand im Plenumsraum des AStA der TU Berlin ein „Aktionstraining zu Besetzungen“ statt, das auch auf der offizielen „TuMalWat“-Seite angekündigt wurde. Doch nicht jeder durfte daran teilnehmen: „Dieses Training ist nur für flint-Personen (frauen, lesben, inter, non binary, trans) gedacht“, lautete die Vorgabe. Die TU hatte mit der Veranstaltung zum Erlernen von Hausbesetzungen keinerlei Probleme.

Ähnliches zeigt sich auch für die Universität der Künste. Mit wenigen Klicks gelangt man auf der „TuMalWat-Internetseite zu einem Video, das auf die Aktionstage einstimmen soll. Erstellt wurde es offenbar von einer Aktivistin des Jugendzentrums „Potse“ in Schöneberg. Im Video wird dazu aufgerufen, die Miete zu verweigern, Häuser illegal zu besetzen, notfalls auch mit Gewalt. Gegen Ende wird der Antifaschistischen Jugendorganisation Charlottenburg (AJOC) gedankt, einer Gruppierung, die eng mit den vom Verfassungsschutz beobachteten Linksextremisten der Interventionistischen Linken und der Antifa Nordost zusammenarbeitet.

Dann erscheint plötzlich das offizielle Logo der Universität der Künste. Hat die Universität ein Problem damit? Oder hat sie das Projekt sogar gezielt gefördert? Und wie steht sie zum Inhalt des Videos? Auf Nachfrage der JF teilt die UdK mit: „Grundsätzlich werden Arbeiten unserer Studierenden, die im Kontext der UdK Berlin entstehen, mit dem Logo unserer Universität ausgewiesen. Selbstverständlich steht es unseren Studierenden frei, die Themen, mit denen sie sich künstlerisch auseinandersetzen, selbst zu wählen.“ Zum Inhalt des Videos äußert sich die Pressestelle nicht.