© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

„Viel Meinung, wenig Ahnung“
Klimapaket: GroKo-Beschluß steht aus unterschiedlichsten Gründen in der Kritik
Björn Harms

Den einen geht der Beschluß nicht weit genug, die anderen schlagen vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammen. Das von der Bundesregierung am vergangenen Freitag beschlossene Klimapaket sorgt derzeit für erhitzte Gemüter. Die Pläne der großen Koalition seien nicht ausreichend, kritisierte etwa Grünen-Chef Robert Habeck am Sonntag in der ARD. Er sei „entsetzt“ von der „Kaltherzigkeit“, mit der sich die Bundesregierung der klimapolitischen Wende verweigere. Co-Vorsitzende Annalena Baerbock legte noch einen drauf: „Die Bundesregierung ist an der Menschheitsaufgabe Klimaschutz gescheitert“, empörte sie sich.

Die Partei will nun ihren Einfluß im Bundesrat spielen lassen und das Paket wennmöglich nachträglich verschärfen. In neun Bundesländern sind die Grünen an den Landesregierungen beteiligt. Je nach Ausgang der Koalitionsverhandlungen in Brandenburg und Sachsen könnten es elf werden. Ohne die Zustimmung der Grünen kann also die für das Gesetzespaket notwendige Mehrheit im Bundesrat nicht erreicht werden.

Dabei präsentierte sich Habeck während seines ARD-Interviews nicht gerade kenntnisreich. Er sprach davon, daß die Erhöhung der Pendlerpauschale ein „Anreiz“ sei, „möglichst weite Distanzen zu fahren“. Das wies der ARD-Moderator zunächst mit dem Argument zurück, Menschen würden ja nicht wegen der Pauschale weiter von ihrem Arbeitsplatz wegziehen. 

„Wenn man den Benzinpreis um drei Cent erhöht, die Pendlerpauschale aber um fünf Cent erhöht, dann lohnt es sich eher, mit dem Auto zu fahren als mit der Bahn. Es muß ja genau umgekehrt sein“, erwiderte Habeck. Ihm entfiel offenbar, daß die Penschlerpauschale unabhängig vom Verkehrsmittel gilt. „Die Pendlerpauschale wird aber auch bezahlt, wenn man Bahn fährt“, klärte ihn der ARD-Moderator auf. „Das weiß ich gar nicht“, so die kleinlaute Antwort des Grünen-Politikers. Hohn und Spott der anderen Parteien waren ihm sicher. „Der Grünen-Chef, die Berufspendler und das Klima: Viel Meinung, wenig Ahnung“, kommentierte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Dessen Parteigenossen sind sich derweil nicht so recht einig, ob sie das Klimapaket nun als Erfolg oder Rückschlag verbuchen können. Während Finanzminister Olaf Scholz von einem „großen Wurf“ fabulierte, zeigte sich Karl Lauterbach, der mit Nina Scheer für den SPD-Vorsitz kandidiert, weniger euphorisch: „Das Ergebnis ist noch deutlich schlechter, als zu befürchten war.“ Die CO2-Bepreisung, wie die Bundesregierung sie anstrebt, liege „unter der Schwelle der Wirksamkeit“. Sein Fazit: „Die Beschlüsse sind es auf keinen Fall wert, daß wir noch zwei Jahre in der GroKo bleiben.“

Markus Söder ist von den Vereinbarungen begeistert

Auch in der Union werden die Vereinbarungen unterschiedlich bewertet. „Das sind sehr rabiate Maßnahmen, die einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erfordert hätten“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der Bild am Sonntag. „Ein großer Teil der Menschen ist mit den Entscheidungen überfordert.“ Konkret nannte er die Mehrbelastungen von mittelfristig bis zu 15 Cent für Benzin, Diesel und Heizöl sowie die Erhöhung der Preise für Inlandsflüge. 

CSU-Chef Markus Söder hingegen verteidigte das Klimapaket der Bundesregierung. „Ich finde, das Konzept, das jetzt vorliegt, das ist die gute ökologische Mitte“, sagte er. Er sehe nicht, daß eine Blockade der Grünen im Bundesrat dem Klima helfe. Das Klimapaket verändere vieles zum Guten. Die Kfz-Steuer werde umgestaltet, die Lkw-Maut und es gebe eine CO2-Bepreisung. „Für Deutschland ist das eine Revolution.“

Die FDP überzeugt das nicht. „Es gibt vielleicht ein, zwei Ansätze, die wir ganz gut finden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Sitta. Dazu zählte er „die Integration von synthetischen Kraftstoffen und auch die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung“. Das sei es dann aber leider auch schon gewesen. FDP-Chef Christian Lindner droht der Bundesregierung offen mit der Ablehnung des Pakets. Er befürchtet Zugeständnisse an die Grünen im Bundesrat. Sollte das passieren, wollen die Liberalen gegen das Klimapaket stimmen.

Auch die AfD zeigte sich mit den Beschlüssen ganz und gar unzufrieden. „Die bisherigen ‘Klimaschutz’-Maßnahmen haben – neben dem tiefen Griff in den Geldbeutel der Verbraucher – nichts bewirkt“, erklärte der umweltpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Karsten Hilse. „Weder an den weltweiten Emissionen noch am Weltklima. Und sie werden das auch in Zukunft nicht können. Das Klimapaket ist eine Lachnummer.“ Die Linkspartei kanzelte das Klimapaket als „unsozial und ineffektiv“ ab. Es würden vor allem kleine und mittlere Einkommen belastet, hieß es.

Am Montag stellte Angela Merkel die Beschlüsse auch beim UN-Gipfel in New York vor. Dabei hatte vor allem die Reiseplanung der Regierung vorab für Verwunderung gesorgt. Die Kanzlerin flog am Sonntag nach New York, wenig später hob eine kleinere Maschine mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in Richtung Wa-shington ab. Ursprünglich sollten die Delegationen gemeinsam in die USA fliegen. Doch kurz vor knapp soll das Kanzleramt dem Verteidigungsministerium signalisiert haben, daß ein Mitflug Kramp-Karrenbauers nicht gewünscht sei und die Anreise eigenständig erfolgen solle. Das macht für Hin- und Rückflug rund 335 Tonnen CO2 zusätzlich.

Eine Übersicht zu  konkreten Inhalten des Klimapakets finden Sie auf den Seiten 10 und 11.