© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Nur das Ausatmen kostet noch nichts
Klimapaket der Bundesregierung: Auch ohne offizielle CO2-Steuer wird es für Bürger und Wirtschaft teuer
Marc Schmidt

Für die drei kleinsten Oppositionsparteien geht das 22seitige Klimapaket der Bundesregierung nicht weit genug: Es fehle eine „große Vision für einen wirksamen Klimaschutz“, heißt es von der FDP. Die Linke will statt „marktliberalen Instrumenten“ lieber eine „wirkungsvolle staatliche Ordnungspolitik“. Und die Grünen wollen via Bundesrat mehr „herausholen“ – schließlich regieren sie künftig in mindestens in elf von 16 Bundesländern mit. Nur die AfD warnt, durch die Klimamaßnahmen würden die Bürger „gnadenlos für eine Ideologie ausgepreßt“.

Schon ohne grüne Verschärfungen geht es dabei um ein Volumen von 54 Milliarden Euro. Da diese etatneutral finanziert werden sollen, müssen Bürger und Wirtschaft diese Summe durch Steuer-, Abgaben- und Preiserhöhungen stemmen. Die Hauptbelastung entsteht dabei aus der zusätzlichen „Bepreisung“ von CO2. Und da sich weder das Ausatmen von Mensch und Tier noch natürliche Brände, Fäulnisprozesse oder Vulkanaktivitäten verhindern lassen, soll die Voraussetzung für technische Verbrennungsvorgänge in Deutschland ins Visier genommen: Wer Benzin, Diesel, Gas und Heizöl verkauft, zahlt keine CO2-Steuer (wie die SPD es wollte), sondern wird gezwungen, im künftigen nationalen Emissionshandelssystem (nEHS) gleichteure CO2-Zertifikate zu kaufen. Auf EU-Ebene gibt es das schon: Seit 2005 müssen Heiz- und Kraftwerke sowie die energieintensive Industrie im Emissionshandel (EU-ETS) CO2-Zertifikate kaufen – was den Preis für Strom, Wärme, Stahl, Aluminium oder Chemieprodukte entsprechend erhöht. 

Derzeit sind bei einem Benzinpreis von 1,42 Euro 88 Cent Steuern und Abgaben fällig. Bis 2025 sollen es durch die neuen Zertifikate (35 Euro pro Tonne CO2 und formal keine Steuern), schrittweise etwa zehn Cent pro Liter mehr sein. Grüne und die „Fridays for Future“-Klimapaniker fordern sogar 180 Euro pro Tonne CO2 – was bei 19 Prozent Mehrwertsteuer einen Aufschlag von 51 Cent pro Liter Benzin und 58 Cent pro Liter Diesel bedeutet. Pkws werden von der Bundesregierung zudem mit einer „an den CO2-Emissionen ausgerichteten“ Kfz-Steuer und Lkws mit einer höheren Maut belastet.

Die von Schwarz-Gelb 2011 eingeführte Luftverkehrsabgabe (Einnahmen 2018: 1,2 Milliarden Euro) und die 2012 gestartete Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel reichen der Bundesregierung nicht. Nun wird gesetzlich untersagt, Flüge „unterhalb der anwendbaren Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren“ anzubieten. Eine höhere Ticketsteuer soll die Mehrwertsteuersenkung auf Bahnfahrkarten gegenfinanzieren: Die Verdopplung der Steuer auf innerdeutsche Flüge (derzeit 7,38 Euro pro Flug und Passagier plus Mehrwertsteuer) reicht dazu nicht, wie der Luftfahrtverband BDL vorrechnet.

Einbau von Ölheizungen ab 2026 faktisch verboten

Die versprochenen Kompensationen sind minimal. Ab 2021 senkt die Bundesregierung die EEG-Umlage (derzeit 6,405 Cent) um 0,25 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Für einen Haushalt mit 3.500 kWh Jahresverbrauch ergibt sich somit eine theoretische Ersparnis von 8,75 Euro. Ab 2026 sollen es 0,625 Cent, also 18,75 Euro sein. Ob die Stromanbieter die Senkung an die Verbraucher weitergeben, ist angesichts steigender Börsenpreise (wegen teurerer CO2-Zertifikate) eher zweifelhaft.

Zudem senkt die Bundesregierung nicht die Milliardensubventionen für „erneuerbare“ Energien, die aus der EEG-Umlage gezahlt werden. Für die Zahlungen an die Betreiber von Windrädern und Solarparks werden also die Steuermittel jener Haushalte verwendet, die maximal eine GEZ-Monatsrate beim Strom sparen könnten. Die Pendlerpauschale soll ab dem 21. Kilometer auf 35 Cent angehoben werden – befristet bis Ende 2026. Dies betrifft allerdings nur eine kleinere Gruppe von Arbeitnehmern. Bei Benzinpreisaufschlägen von zehn Cent und mehr wird dies keine umfassende Entlastungswirkung haben.

Ungeachtet der sich abzeichnenden Steuerproblematik bei der EEG-Erstattung betont die Bundesregierung, die CO2-Bepreisung solle haushaltsneutral erfolgen. Mehreinnahmen sollen an die Verbraucher zurückfließen. Dem widersprechen aber jene 86 Milliarden Euro, die in den Ausbau des Schienennetzes fließen sollen. Das angeblich „größte Investitions- und Wachstumsprogramm in der über 180jährigen Bahngeschichte“, so DB-Chef Richard Lutz, wird nämlich um weitere 20 Milliarden Euro bis 2030 wachsen – allerdings zu Lasten der steuerzahlenden Bürger.

Diese müssen auch die administrativen Mehrkosten für den ausgeweiteten CO2-Zertifikatehandel schultern. Hinzu kommen „Rückerstattungen“ für Besserverdiener bei teurem „grünem“ Kaufverhalten. Für den Ladenhüter Elektroauto (zu Jahresanfang waren es nur 83.175 der 57,3 Millionen deutschen Kfz) wird die Preisgrenze von 30.000 auf 40.000 Euro angehoben und die Dienstwagensteuer von 0,5 auf 0,25 Prozent abgesenkt. Die Kaufprämie für E-Autos (4.000 Euro) und Kurzzeitstromer (Plug-in-Hybride/3.000 Euro) wird „verlängert und für Autos unter 40.000 Euro angehoben“, damit bis 2030 sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschland zugelassen werden, glaubt die Bundesregierung.

Der teuerste Teil des Klimapakets sind die Maßnahmen im Gebäudesektor. Eine Ölheizung „Made in Germany“ mit Gußkessel hält über 40 Jahre – da hatten Anbieter von teuren Solar-, Holzpellet- oder Strom/Erdwärmeheizungen wenig Chancen. Daher werden diese Heizungen künftig zu 40 Prozent subventioniert. Der Einbau von Ölheizungen in „Gebäuden, in denen eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung möglich ist“, wird hingegen ab 2026 verboten. Auch der Einbau neuer Fenster oder Wärmedämmung wird steuerlich gefördert – daß dies die Mietspirale beschleunigt, steht auf einem anderen Blatt.

„Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030“ der Bundesregierung:  www.bundesregierung.de





Nationales Emissionshandelssystem

Der Emissionshandel (EU-ETS) wurde 2005 in der EU eingeführt. Dabei wird der „Klimagas“-Ausstoß von europaweit etwa 11.000 Heiz- und Kraftwerken sowie energieintensiven Industrieanlagen erfaßt. Anfangs gab es die Emissionsberechtigungen kostenlos, später wurden sie versteigert. In diesem Jahr lag der Preis für den Ausstoß von einer Tonne „CO2-Äquivalent“ (CO2 bzw. Methan oder Lachgas in der Chemieindustrie) bei 26 bis 28 Euro. Seit 2012 unterliegt auch der innereuropäische Luftverkehr dem EU-ETS. Der Bundesregierung reicht das nicht, sie will nun auch für den ohnehin versteuerten Verkauf von Benzin, Diesel, Gas oder Heizöl zusätzlich den Kauf von CO2-Zertifikaten verlangen. Dazu wird ein eigenes nationales Emissionshandelssystem (nEHS) geschaffen. Der Einstieg beginnt bei zehn Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021. 2025 sollen es 35 Euro sein. Danach soll der Preis innerhalb eines planwirtschaftlich festgelegten Korridors im nEHS in einem Bereich von bis zu 60 Euro schwanken.

CO2-Emissionshandelssystem (EU-ETS)  ec.europa.eu