© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Wer zahlt die Rechnung?
Beschlüsse des Klimakabinetts: Ergänzungshaushalt erforderlich
Martina Meckelein

Wie hoch sind die Belastungen durch die Beschlüsse des Klimakabinetts für den Bürger? Diese Frage kann das Bundesfinanzministerium nicht beantworten. „Zur Umsetzung der haushaltsrelevanten Beschlüsse des Klimakabinetts im Bundeshaushalt ist ein Ergänzungshaushalt erforderlich“, so Sprecherin Helena Bechtle gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Die Gespräche mit den Ressorts zur haushalterischen Umsetzung laufen derzeit.“

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) weiß etwas mehr. Es hatte im Auftrag des Bundesumweltministeriums die „CO2-Bepreisung“ untersucht. Die gewerkschaftsnahen Wissenschaftler berechneten, daß neben Autofahrern insbesondere Pendlerhaushalte tief ins Portemonnaie greifen müssen: Durchschnittlich haben sie eine „deutliche Nettobelastung“ zwischen 220 Euro und 560 Euro im Jahr 2030.

Interessant an den regierungsamtlichen „Eckpunkten für das Klimaschutzprogramm 2030“ ist die unaufhaltsame Steigerung der CO2-Emmissionspreise von zehn Euro über 35 Euro bis 60 Euro 2026 – danach entfällt höchstwahrscheinlich die Obergrenze. Warum, verrät das IMK: „Eine kontinuierliche Gewöhnung mit ansteigendem (und verläßlichem) Pfad ist prinzipiell sinnvoller als die plötzliche Implementation eines Optimalwerts.“ Spätestens hier wird klar, daß das Gutachten keine Empfehlung, sondern eine strategische Handlungsanweisung ist.

Punkt 7 des IMK-Papiers beschäftigt sich mit der Frage, wie die Bevölkerung auf höhere Benzin-, Diesel- und Heizölpreise reagieren würde. Da mit Ablehnung gerechnet wird, seien „bei der Einführung einer umfassenden CO2-Bepreisung psychologische und Gerechtigkeitsaspekte sowie kommunikative Überlegungen zu berücksichtigen.“

Doch trotz der medialen Vorbereitungen zum Bespiel durch den Greta-Hype wird die Kritik an den Beschlüssen immer lauter. Der Mieterbund spricht von einer Klimafalle. Er sieht durch die Beschlüsse und die damit steigenden Verbraucherpreise den sozialen Frieden gefährdet. Und nicht nur der Mieterbund rechnet vor, was der kleine Mann bald zahlen muß.





Abflugtafel im Flughafen Stuttgart: Höhere Ticketsteuer

Urlaubsreisen

Einen „Vorteil“ hätte eine CO2-Bepreisung: Eine Reiseveranstalter-Pleite wie die von Thomas Cook würde Deutsche weniger betreffen. Ein Flug von Hamburg auf die Kanarischen Inseln verursacht laut Klimaportal Atmosfair.de pro Person 1,5 Tonnen CO2, ein Flug in die Karibik 4,8 Tonnen. Das wären – bei 60 Euro CO2-Zertifikatspreis ab 2026 – 360 Euro bzw. 1.152 Euro mehr für den Familienurlaub und das zusätzlich zu den ohnehin geplanten Steuer- und Preiserhöhungen. Doch eine drastische Kerosinverteuerung ist international nicht durchzusetzen. Daher will die Bundesregierung die 2011 von Schwarz-Gelb eingeführte Ticketsteuer massiv anheben. Um wieviel die Luftverkehrsabgabe steigen soll, um die Mehrwertsteuersenkung für Bahnfahrkarten von 19 auf sieben Prozent gegenzufinanzieren, verrät das Finanzministerium noch nicht. Die Luftverkehrsabgabe liegt derzeit zwischen 7,38 Euro (Inlandsflüge) und 41,49 Euro (Langstreckenflug) pro Flug und Passagier. Steigt sie merklich, freuen sich die Flughäfen von Amsterdam, Basel, Brüssel, Prag, Salzburg, Stettin, Straßburg, Warschau oder Zürich.





Wohnen

Die Bundesregierung will, daß die CO2-Emissionen im Wohnsektor bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2014 sinken sollen. Dazu seien für Mietwohnungen mindestens sechs Milliarden Euro und für alle Wohngebäude 14 Milliarden pro Jahr nötig, schätzen Immobilienexperten. Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten rechnete vor, daß eine einfache energetische Modernisierung (Effizienzhaus 100-Standard) zu einer Mieterhöhung von zwei Euro pro Quadratmeter und Monat führe. Der Mieterbund hält die so ausgelösten Mieterhöhungen über die eingesparten Heizkosten nicht ansatzweise für refinanzierbar. Die Belastungen „gefährden den sozialen Frieden in Deutschland“, zitiert der Branchendienst Haufe Siebenkotten. Ob die versprochenen zehn Prozent mehr Wohngeld für Bedürftige da wohl abhelfen? Der Eigentumerverband „Haus & Grund“ schätzt, daß sich schon bei einem niedrigen CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne die Heizkosten für ein 160-Quadratmeter-Einfamilienhaus mit Ölheizung jährlich um 308 Euro erhöhen. Bei einer 115-Quadratmeter-Wohnung seien es 222 Euro. 





Gaszähler: Erdwärme plus teure Stromheizungen?

Verbot von Ölheizungen

In einer vom Heizungsbauer Thermondo in Auftrag gegebenen Studie befragte das Marktforschungsinstitut Dr. Grieger & Cie. Eigenheimbesitzer, wie sie heizen. Demnach wärmen 49 Prozent mit Gas, 24 Prozent mit Öl, neun Prozent über Fernwärme und nur sechs Prozent mit Holz. Die Bundesregierung fordert nun, von „Öl- und Gasheizungen auf klimafreundlichere Anlagen oder direkt auf erneuerbare Wärme umzusteigen“ – sprich: Solarthermie, Holzpelletöfen oder Erdwärme plus teure Stromheizung. Der Einbau neuer Ölheizungen in „Gebäuden, in denen eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung möglich ist“ wird ab 2026 verboten. Perspektivisch sollen alle „ausschließlich auf Basis fossiler Brennstoffe betriebenen Heizungen“ auf „erneuerbare Wärme“ oder „effiziente hybride Gasheizungen“ umgestellt werden. Die vom Finanzministerium versprochene „Abwrackprämie“ sieht der Bund der Steuerzahler kritisch: Dies könnte die Heizungspreise erhöhen, denn die vom Steuerbürger finanzierte Prämie lande nicht nur beim Käufer, sondern schließlich auch beim Verkäufer. 





Landwirtschaft

2018 gab es 266.700 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland. 1999 waren es noch 471.960 Höfe. Und diese Zahl wird sich wohl weiter verringern. Derzeit können Land- und Forstwirte noch 21,5 Cent je Liter Kraftstoff beim Agrardiesel via Steuererklärung zurückerhalten. Was mit dieser Regelung passiert, verraten die „Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030“ nicht. Das Branchenblatt Agrarheute rechnet damit, daß neben einem direkten Anstieg der Produktionskosten durch die CO2-Bepreisung auch die steigenden Kosten beim Zukauf von Betriebsmitteln, Technik und Maschinen auf die Wirtschaftlichkeit der Höfe drücken würden. „Von den Auswirkungen dürften kleine Betriebe noch stärker betroffen sein als größere Unternehmen. Denn ihnen fällt es schwerer, in neue Technik und Technologie zu investieren.“ Und die geforderte Emissionssenkung bei Lachgas (N2O) und Methan (CH4) läuft praktisch auf eine Reduzierung des Tierbestandes hinaus.





Familienauto VW Touran: Erneute Abzocke

Kraftstoffe, Gas und Heizöl

Fünf Mark für den Liter Sprit, wie die Grünen im Wahlkampf 1998 forderten, werden es nicht. Die Erhöhung des Benzin- und Dieselpreises um 16,9 bzw. 18,6 Cent den Liter bis 2025, wenn die CO2-Zertifikate 60 Euro kosten, wird wohl kaum die Zwei-Euro-Grenze knacken. Die unter den Kohl- und Schröder-Kabinetten beschlossenen Mineralöl-/Ökosteuererhöhungen summierten sich auf eine vergleichbare Höhe – allerdings verteilt auf zwei Jahrzehnte. Beim chemisch dieselidentischem Heizöl würden sich die 18,6 Cent fürs CO2-Zertifikat beim derzeitigen Preis von 69 Cent auf eine Heizrechnungserhöhung von 27 Prozent belaufen. Beim Erdgas wären es bei aktuell 6,1 Cent pro Kilowattstunde (kWh) etwa 23 Prozent – sonstige Preissteigerungen nicht mitgerechnet. Und da die 60-Euro-Preisgrenze für CO2-Zertifikate 2027 ausläuft, ist danach alles völlig offen. Zur Erinnerung: 2005, unter dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin, lag die EEG-Umlage auf Strom bei 0,65 Cent/kWh. Unter Angela Merkel verzehnfachte sich die Ökostromzwangsabgabe auf 6,405 Cent, was sich auf 24 Milliarden Euro jährlich summiert.