© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Frisch gepresst

Wahre Ostdeutsche. Ärgerlich an dem neuen Buch des Anthropologen Andreas Vonderach ist allein der sperrige Titel, der vom „früheren Ostdeutschland (vor 1945)“ spricht. Denn viele Angehörige der älteren Generation sowie geschichtlich Gebildete neigen bei historischen Themen nicht dazu, Mitteldeutschland mit den preußisch-deutschen Provinzen jenseits von Oder und Görlitzer Neiße zu verwechseln. Ungeachtet also des Titels bietet Vonderach auf knappem Raum einen instruktiven Beitrag zur Sozialbiologie Ostdeutschlands. Er stützt sich dabei auf seltenes Datenmaterial aus den 1950ern, erhoben von der aus Breslau nach Mainz vertriebenen Anthropologin Ilse Schwidetzky. Es umfaßt metrische und morphognostische Angaben über 2.759 vierzehnjährige Schüler, die nach dem Geburtsort von mindestens drei ihrer Großeltern zwischen Memel und Gleiwitz „altansässig“ waren. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die wohl auf heftigste Abwehrreaktionen unter politisch-pädagogischen Gleichheitsfanatikern stoßenden Ausführungen über die Beziehungen zwischen körperlichen Merkmalen und der Schulbegabung. (ob)

Andreas Vonderach: Anthropologie des früheren Ostdeutschlands (vor 1945). Ethnische Schichtung und Sozialbiologie, Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2019, 128 Seiten, Abb., 18 Euro





Merkwürdige Besuche. Rainer Hackels Begegnungen mit Ernst Jünger, Martin Mosebach, Ernst Herhaus und Marcel Reich-Ranicki beginnen 1982, als der Primaner aus der hessischen Kurstadt Bad Nauheim im Fernsehen fasziniert die Goethe-Preis-Verleihung an Jünger miterlebt. Über die Jünger-Lektüre findet er zu Ernst Herhaus, den er in Frankfurt besucht: Es ist der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Zwei Wochen später klingelt er an der Tür zur Oberförsterei in Wilflingen, und Jünger bittet den jungen Mann tatsächlich in seine Bibliothek: „Aber nur für eine Minute!“ Doch das Gespräch dauert glücklicherweise länger, und neun Jahre später begegnet er sich selbst als „Hacker“ in Jüngers Tagebuch „Siebzig verweht III“. Den frischgebackenen Büchner-Preisträger Martin Mosebach holt er schließlich für eine Lesung an die Elisabethenschule in Frankfurt und später noch einmal ins legendäre Antiquariat Schutt. Und auch danach verlieren sich die beiden nicht aus den Augen. (W.O.)

Rainer Hackel: Mein Besuch bei Ernst Jünger und andere merkwürdige Geschichten. Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2019, broschiert 70 Seiten, 9 Euro