© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/19 / 27. September 2019

Der Flaneur
Kampf der Feldherren
Paul Leonhard

Die Schlacht ist geschlagen. Der Feldherr hat sich nach draußen zum Sandkasten verkrümelt. Ich sammle die Soldaten ein und setze den Staubsauger in Gang. 

Hinter dem Heizkörper entdecke ich noch einen Spähtrupp – einen Offizier und fünf Mann, die Maschinenpistolen im Anschlag. Einen kopflosen liegenden Schützen ziehe ich unter einer Matratze hervor. 

Die Invasion ist kaum aufzuhalten, auch in der Küche wurden Soldaten gesichtet.

Meine Frau kommt aus der Küche mit fünf weiteren Plastesoldaten. Die Invasion hat also die gesamte Wohnung umfaßt. „Und, werden noch Kämpfer vermißt?“, fragt meine Frau. Ich zucke die Schultern, ich habe keine Ahnung wie viele Figuren in den drei Tüten waren. Oder doch. Triumphierend ziehe ich eine weitere, noch geschlossene Tüte aus dem Schrank. „Wieviel von dem Mist hast du denn gekauft“, fragt die Frau. Ich brummle etwas von Sonderangebot, als mir die Tüte aus der Hand gerissen wird. Der Sohn ist wieder da, reißt die Tüte an sich und zieht sich in sein Zimmer zurück. Minuten später erscheint in Gestalt der ebenfalls des Sandkastens überdrüssig gewordenen kleineren Schwester ein zweiter Feldherr auf dem Schlachtfeld, der sofort Anspruch auf Soldaten erhebt, was abgelehnt wird. Daraufhin wird die Taktik geändert, die Lieblingspuppe fallengelassen und langsam verzieht die Zweijährige ihr Gesicht. Der Junge versteht die Drohung. Weint die Schwester lautstark, kommt Mutter und das Soldatenspiel ist zu Ende. 

Also überläßt er ihr drei Soldaten. Die lächelt wieder, ist aber natürlich gekränkt. Nur drei Soldaten? Kurzerhand kickt sie zwei geschickt in die Formation, in der Dutzende Figuren, andere mit sich reißend, umkippen. Der Feldherr ist entsetzt, aber sein Gegner noch nicht zufrieden. Ihren letzten Soldaten mit drei Fingern haltend, sorgt die Generalin mit ihrer über dem Schlachtfeld kreisenden Hand für ein schnelles Ende. Ihr Bruder springt wütend auf, sie ergreift die Lieblingspuppe und die Flucht: „Mama!“