© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Marion Márechal. Plant sie, ihre Tante Marine Le Pen bis 2022 politisch zu beerben?
„Macron von rechts“
Friedrich-Thorsten Müller

Wer in Marion Maréchal – die von 2010 bis 2018 Maréchal-Le Pen hieß – nur die Lieblingsenkelin von Jean-Marie Le Pen und die dritte Generation eines politischen Familienbetriebs sieht, riskiert sie massiv zu unterschätzen. Denn mit ihren 29 Jahren hat sie eigentlich schon mehr als nur ein Leben hinter sich: Von 2012 bis zu ihrem vorläufigen Rückzug aus der großen Politik 2017 war sie die damals einzige Front-National-Abgeordnete der Nationalversammlung sowie mit 22 Jahren auch das jüngste Mitglied des französischen Parlaments jemals. Dabei wurde sie in Sachen Fleiß und Initiative den Erwartungen gerecht. Nicht wenige sehen in ihr seither ein größeres politisches Talent als in ihrer Tante Marine Le Pen, Chefin der inzwischen in Rassemblement National (RN) umbenannten Partei.

Geboren im privilegierten Saint-Germain-en-Laye in Paris, ist Marion heute alleinerziehende Mutter einer fünfjährigen Tochter. Ihre Geburt war offiziell Anlaß, vorerst nicht mehr für die Nationalversammlung zu kandidieren. Kolportiert wurde allerdings, Meinungsverschiedenheiten mit Tante Marine seien der Grund gewesen. Gleich im Februar 2018 stahl sie dieser dafür die Schau, indem sie sich als Gast der auch in Frankreich vielbeachteten „Conservative Political Action Conference“ in den USA neben Donald Trump und Nigel Farage in die Herzen der US-Konservativen redete. 

Zudem vernachlässigte Marion, im Unterschied zu manchem Jungpolitiker bei uns, nicht ihre Ausbildung und erwarb vor und nach ihrem Mandat einen Master in Öffentlichem Recht sowie einen Abschluß an der Lyon Business School. Eine akademische Qualifikation, die sie 2018 zur ersten Direktorin des „Institut der Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften“, einer neu gegründeten Kaderschmiede für konservative Führungskräfte in Lyon, werden ließ. Die Abschlüsse des mit Spendengeldern und Jahresstudiengebühren von 5.500 Euro finanzierten ISSEP warten allerdings noch auf staatliche Anerkennung. Entsprechend ist der Zulauf im Moment noch auf eine niedrige zweistellige Zahl Studenten begrenzt.

Das aber beunruhigt Marion Maréchal nicht, sieht sie das Projekt ISSEP doch in der Logik des sozialistischen Philosophen Antonio Gramsci, der Geduld und Haltung einforderte, um Veränderungen zu erreichen. So will sie langfristig ein akademisches Gegengewicht zu den „Grandes Ecoles“, den Elitehochschulen, schaffen, die in ihren Augen „seelen- und nationenlose Eliten“ produzierten. Besonders liegt ihr dabei der Schulterschluß mit den französischen Konservativen, den Republikanern, am Herzen. Nicht wenige hoffen daher, daß ihr das Kunststück gelingt, bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2022 – dann als neue Chefin des RN – das rechte Lager als eine Art „Macron der Rechten“ zu einen.