© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Regenwaldvernichtung bessert die „Klimabilanz“ auf
CO2-Bepreisung: Hohe Dieselpreise und Zwangsbeimischung von Biokraftstoffen / Schwedisches Modell ist in Deutschland nicht umsetzbar
Paul Leonhard

Schweden hat seine Verkehrsemissionen um elf Prozent reduziert und trotzdem ein hohes Wirtschaftswachstum verzeichnet. Ermöglicht habe das eine ab 1991 eingeführte CO2-Steuer, die kontinierlich auf den weltweiten Spitzenwert von 115 Euro pro Tonne gestiegen sei, behaupteten Politiker, die das auch für Deutschland erhoffen. Das wären bei Benzin 27 Cent und bei Diesel 31 Cent pro Liter mehr.

Allerdings liegt der schwedische Benzinpreis derzeit mit umgerechnet 1,46 Euro nur wenig über den 1,40 Euro in Deutschland. Warum? Weil weder eine Energie- noch Ökosteuer an der Tankstelle fällig wird und die Mehrwertsteuer bei 25 Prozent liegt. Der schwedische Dieselpreis ist aber mit 1,54 Euro der höchste in der EU, denn Diesel ist unbesteuert in der Regel teurer, und bei der Verbrennung entsteht etwas mehr CO2.

Könnte das auf Deutschland übertragen werden? Beim Diesel würde das den Gelbwestenverkauf und den Tanktourismus anheizen: In Luxemburg kostet der Liter 1,13 Euro, in Polen 1,15 Euro, in Österreich 1,20 Euro und in der Tschechei 1,22 Euro. Das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) listet in seiner Analyse „CO2-Reduktion im Verkehr. Was kann Deutschland von Schweden lernen?“ weitere Gegenargumente auf: Nicht die CO2-Steuer sei ausschlaggebend für die Emissionsreduzierungen gewesen, sondern die ausreichende Bereitstellung eines steuerbefreiten Biokraftstoffes als Benzin- und Diesel-Alternative. Dessen Einsatz sei drastisch ausgeweitet worden. Wurden 2010 im schwedischen Verkehr Biokraftstoffe mit einem Energiegehalt von fünf Terawattstunden (TWh) eingesetzt, so waren es 2017 bereits mehr als 19 TWh, davon 16,6 TWh Biodiesel.

Hauptweg waren dabei Beimischungen, wie sie inzwischen auch beim Kerosin in der Luftfahrt üblich sind. Der Knackpunkt ist aber, daß sich der schwedische Biodiesel erheblich von den in Deutschland gebräuchlichen Sorten unterscheidet. Während in Deutschland Biodiesel durch die Umesterung von Pflanzenölen erzeugtes Fettsäuremethylester (Fame) ist, besteht der schwedische aus Hydrogenated Vegetable Oil (HVO). Für dessen Produktion werden unter Wasserstoffzugabe Pflanzenöle, tierische Fette und Schlachtabfälle genutzt.

Hauptrohstoff sind aber Palmölprodukte, weshalb bei Regenwaldschützern die Alarmglocken läuten dürften. Die schwedische HVO-Produktion nutze jene Quellen, welche mit Blick auf die Welternährung und die Abholzung von Regenwäldern zugunsten von Palmölplantagen problematisch sind. Und: Der deutsche Biokraftstoffbedarf betrage das Neunfache des schwedischen.

Keine Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung?

In Schweden beträgt der Biokraftstoffanteil 22 Prozent. Strebe Deutschland eine ähnliche Quote an, müsse es den „Endenergiebedarf von erneuerbaren Energien im Verkehrssektor von heute 30 auf 170 TWh steigern“, heißt es in der IW-Analyse: Daher erscheine es unrealistisch, den Bedarf an Biokraftstoffen über eine Sorte zu decken, die aus tropischen Palmölprodukten und Schlachtabfällen hergestellt wird. Dafür sei keine Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung vorhanden, und die nötigen Rohstoffmengen seien nicht verfügbar.

Bliebe also die Markteinführung von neuartigen synthetischen Flüssigkraftstoffen, die durch die Umwandlung von Öko-Strom hergestellt werden können (E-Fuels, JF 12/19). Diese wären „CO2-neutral“. Der vorhandene Fahrzeugbestand – derzeit 57,3 Millionen Pkws, Lkws, Busse, Traktoren und Krafträder – müßte nicht ausgemustert werden. Und es wäre die einzige Methode, mit der CO2-Emissionen reduziert werden können, ohne die Mobilität spürbar einzuschränken.

Aber hier verweist die Studie auf gravierende Nachteile: Im E-Fuel-Herstellungsprozeß gehen bislang 80 bis 90 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Es gibt derzeit nur Vorführanlagen, und der Aufbau der benötigten Kapazitäten benötige Zeit und vor allem sehr hohe Anschubinvestitionen. Überdies liegen die Produktionskosten noch bei mindestens 3,50 Euro pro Liter und damit selbst bei kompletter Steuerbefreiung weit über den fossilen Spritpreisen. Selbst wenn bis 2030 eine deutliche Kostensenkung bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe gelinge, erreichten diese mit steuerlicher Begünstigung nur „in etwa das Preisviveau der konventionellen Kraftstoffe“.

Zudem unterliegt eine Steuerbefreiung für synthetische Kraftstoffe der EU-Energiesteuerichtlinie, deren Änderung einstimmig erfolgen muß, was kurzfristig ebenfalls als unmöglich erscheint. So bleibt vom schwedischen Erfolgsmodell für Deutschland die Erkenntnis: Nicht die im „Klimaschutzprogramm 2030“ der Bundesregierung vorgesehene „CO2-Bepreisung“ (JF 41/19) war ausschlaggebend für die Emissionsminderung, sondern die Einführung eines staatlich geförderten, ausreichend vorhandenen Biokraftstoffes. Der Bundesregierung geben die IW-Wissenschaftler den Hinweis, daß es aus ökonomischer Sicht wünschenwert wäre, „daß batterieelektrische Antriebe und alternative Kraftstoffe gleichermaßen die Chance haben, sich als Alternativen zu etablieren“.