© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Kommando „Weiter so!“
ARD: Die Personalwechsel stehen weder für Sparreformen noch für mehr Ausgewogenheit
Ronald Berthold

Die Politik fordert Reformen, die öffentlich-rechtlichen Sender einen höheren Rundfunkbeitrag. In Zeiten, in denen diese wegen explodierender Kosten und einseitiger Berichterstattung in der Kritik stehen, finden bei der ARD zahlreiche Personalrochaden an der Spitze statt. Eine Wende scheint nicht in Sicht. Die Anstalt macht weiter, als sei nichts geschehen. Auffällig sind auch die hohen Ergebnisse in den Gremien für die Neuen und oft fehlende Gegenkandidaten.

Zu Beginn des nächsten Jahres wird WDR-Intendant Tom Buhrow (61) neuer ARD-Vorsitzender und löst damit Ulrich Wilhelm ab, der sein Stellvertreter wird. Wilhelm hatte das Amt als Intendant des Bayerisches Rundfunks (BR, seit 2011) turnusgemäß zwei Jahre inne. Zuvor war der 58jährige zunächst Sprecher der Bayerischen Staatsregierung und während der ersten beiden Kabinette von Angela Merkel Chef des Bundespresseamtes. Mindestens bis 2021 bleibt er BR-Chef. Buhrow, der 400.000 Euro im Jahr verdient, ist seit sechs Jahren WDR-Intendant. Inhaltlich wird sich durch den Wechsel an der Spitze nichts ändern. Beide gelten als Verteidiger des Status quo.

Viele Spitzen weisen eine Nähe zur SPD auf

Am 1. September trat Kai Gniffke (58) sein neues Amt als Intendant des Südwestrundfunks (SWR) an. Zuvor hatte das langjährige SPD-Mitglied 13 Jahre als Erster Chefredakteur von ARD-aktuell die „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ verantwortet. Dabei machte er sich einen Namen als „Haltungsjournalist“. Immer wieder geriet er in die Kritik, weil er verhinderte, daß seine Sendungen über spektakuläre Verbrechen von „Flüchtlingen“ berichteten. Er sagt zwar, daß er den SWR zum „Innovationstreiber Nummer eins“ machen möchte, aber dies beschränkt sich erst einmal darauf, eine Frauenquote für alle Spitzenämter einzuführen. Von 15 Bewerbern hatte die Findungskommission nur eine Gegenkandidatin für Gniffke zugelassen. Sein Nachfolger bei ARD-aktuell wird Marcus Bornheim – bisher dessen Stellvertreter. Anders als Gniffke hält sich der 45jährige mit seinen Haltungen auf Twitter zurück. Er teilt vor allem – darunter auch äußerst hämische und kritische Tweets seiner Kollegen zur AfD. Bornheims Position als Zweiter Chefredakteur übernimmt Helge Fuhst (35). Der WDR-Mann ist derzeit ARD-Programmgeschäftsführer bei Phoenix. Zuletzt zeigte er sich politisch zurückhaltend, twitterte fast nur über eigene Sendungen.

Auch die neue Intendantin Radio Bremens, Yvette Gerner, hat seit gut 25 Jahren ein SPD-Parteibuch. 2002 kandidierte sie als Oberbürgermeisterin in Speyer, verlor die Wahl aber. Die 52jährige folgt auf Jan Metzger, der ebenfalls aus einer sozialdemokratischen Familie stammt.

Welche Dominanz die SPD in der ARD behält, macht auch die Wahl zum NDR-Verwaltungsrat deutlich. Die ehemalige Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Sigrid Keler, seit 1990 Parteimitglied, wurde vergangene Woche zur stellvertretenden Vorsitzenden bestimmt. Sie ist inzwischen 77 Jahre alt. Den Vorsitz erhielt Regina Möller (50), die indes für die Deutsche Shell AG arbeitet und Wirtschaftserfahrung einbringen könnte.

Der NDR präsentiert auch an der obersten Spitze einen Neuen. In einem vom Redaktionsausschuß als „intransparent“ kritisierten Verfahren beerbte Joachim Knuth Lutz Marmor als Intendant. Obwohl es mehrere Bewerber gab, beschränkte der NDR-Verwaltungsrat die Auswahl auf Knuth. Der 47köpfige Rundfunkrat wählte zwar, hatte aber nicht wirklich eine Wahl. Es gab nur eine Nein-Stimme. Im Branchendienst „Übermedien“ mutmaßte ein Mitarbeiter des Senders, Knuth habe „von Anfang an“ als neuer Intendant festgestanden. Der 60jährige war bis dato Hörfunkdirektor und steht für Kontinuität. Sein Amt tritt er am 13. Januar an.

Katja Marx folgt ihm auf dem verwaisten Posten nach. Auch die 54jährige ist eine altgediente Öffentlich-Rechtliche. 1992 begann sie ihre Laufbahn beim SWR (damals noch SDR). Vor 20 Jahren wechselte sie zum Hessischen Rundfunk (hr) und wurde kurz darauf Leiterin von hr-info. Marx ist bislang hr-Hörfunk-Chefredakteurin.

Einen Wechsel gibt es auch in der Spitze des Saarländischen Rundfunks (SR). Armgard Müller-Adams wird zum 1. Oktober neue Chefredakteurin. Auch sie ist ein Eigengewächs. Seit vier Jahren leitet sie die Intendanz des Senders. Nach ihrem Volontariat arbeitete sie ausschließlich für Sendungen des SR.

Auf Reformen, Kostendämpfungen oder gar mehr Ausgewogenheit scheinen die Personalwechsel bei der ARD nicht hinzudeuten. Die Sender rekrutieren ihre Spitzenleute aus den eigenen Reihen, werden noch weiblicher und behalten ihre politische Ausrichtung.