© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/19 / 04. Oktober 2019

Es rasseln die Kettenhemden
Mittelalterlicher Kampfsport: Weltweit treffen sich moderne Ritter zum Kräftemessen
Alexander Graf

Schweigend stehen sich die schwergerüsteten Männer gegenüber. Geschützt durch Kettenhemden, Metallplatten und Schilde, bewaffnet mit Schwertern und Äxten warten sie auf das Startsignal. Dann stürmen sie aufeinander los und messen ihre Kräfte. Was wie die Beschreibung eines mittelalterlichen Turniers klingt, spielt sich einmal im Jahr während der sogenannten „Battle of the Nations“ ab. 

Dabei handelt es sich um die offizielle Weltmeisterschaft im „Historisch Gerüsteten Vollkontakt-Kampf“, wie die Sportart etwas sperrig heißt. Doch die Umschreibung trifft es sehr gut. Zwar war das Rittertum mit seinen Turnieren im Mittelalter ein europäisches Phänomen, doch die Begeisterung für die Kämpfe der schwer gerüsteten Sportler ist heutzutage global. Bei der Schlacht der Nationen treten auch die Mannschaften der USA und Israels an. Eine weltumfassende Liga verzeichnet außerdem Kämpfer aus Ländern wie Argentinien, Mexiko und Neuseeland. Zudem schwingen auch Teams aus China Schwerter und Äxte in der aktuell 172 Teilnehmer umfassenden „Buhurt League“. Buhurt ist die Bezeichnung für die Mannschaftskämpfe. Daneben treten die furchtlosen Recken auch in Einzelkämpfen gegeneinander an. 

Es bedarf Raffinesse, Technik und Taktik

Es gibt eine ganze Reihe von Verbänden, in denen die Kämpfer organisiert sind und ihre Turniere austragen. Das wohl bekannteste dürfte aber die „Battle of the Nations“ sein, die in diesem Jahr zum zehnten Mal stattfand, im serbischen Smederevo.

Die Teilnehmer treten während ihrer Wettkämpfe in verschiedenen Disziplinen an. Es geht von Duellen eins gegen eins über Gruppenkämpfe mit unterschiedlichen Teilnehmerzahlen bis hin zum Getümmel, wenn je 150 Kämpfer große Einheiten sich gegenüberstehen. Beim Aufeinanderprallen der Schlachtreihen kann der Zuschauer erahnen, wie chaotisch es vor Jahrhunderten auf den Schlachtfeldern zugegangen sein muß. 

Doch die Sportler verwahren sich dagegen, daß es bei dieser exotisch anmutenden Kampfsportdisziplin nur darum gehe, daß sich „testosterongeladene Spätpubertierende gegenseitig beweisen können, was sie drauf haben“. Der österreichische Verband betont auf seiner Netzseite: „In Wahrheit bedarf es viel Raffinesse, Taktik und Technik sowie einer soliden körperlichen Konstitution, um einen Wettkampf zu gewinnen – stumpfes Aufeinandereinprügeln hat noch niemandem einen Turniersieg eingebracht.“ 

So geht es bei den Turnieren auch nicht darum, sein Gegenüber kampfunfähig zu prügeln, sondern ihn zu Boden zu bringen. Ähnlich wie beim Ringen ist der Kampf vorbei, wenn der Gegner mit beiden Schultern auf dem Boden liegt. Daher liegt nahe, daß die Sportler auch über Fähigkeiten in den entsprechenden anderen Kampfsportstilen verfügen. So trainieren die Mitglieder des Wiener Vereins auch Judo-Techniken. 

Daß es sich bei diesem Sport um ein kostenintensives Hobby handelt, lassen die historisch möglichst korrekten Rüstungen vermuten. Sie müssen für ihren Träger maßgefertigt sein. Der Preis beginnt laut dem Wiener Verein bei 1.600 Euro. Betrachtet man die Resultate in den einzelnen Wettkampfkategorien, so fällt auf, daß häufig Teilnehmer aus Osteu­ropa die vorderen Ränge belegen. In Polen, Rußland und der Ukraine erfreuen sich die Kämpfe bereits einer gewissen Popularität. Videos auf Youtube zeigen Kämpfe vor vollen Zuschauerrängen. Dabei wird in diesen Ländern statt der historischen Kulisse von Mittelalterfesten bisweilen auf moderne Boxringe ausgewichen. 

Auch in Deutschland haben sich vom Mittelalter begeisterte Sportler zusammengefunden. Sie sind in der sogenannten Eisenliga organisiert. Die zwölf darin vertretenen Vereine sind über das ganze Land verteilt und treten beispielsweise bei Burgfesten gegeneinander an.