© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Die Klage des Friedens
Desiderius-Erasmus-Stiftung: Gibt es einen Machtkampf hinter den Kulissen der AfD-nahen Einrichtung? / Warnung vor dem Verlust staatlicher Förderung
Christian Vollradt

Daß es ein Problem gibt, merkt man häufig besonders dann, wenn keiner darüber reden möchte. So verhält es sich aktuell auch bei der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Ist etwas dran an den Gerüchten über – angebliche – Verwerfungen im seit gut zwei Wochen amtierenden neuen Vorstand der Stiftung? Dazu gibt es von den meisten Angefragten keine Stellungnahme, zumindest keine zum Zitieren. Erika Steinbach, Vorsitzende der DES, betonte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT unterdessen, sie gehe davon aus, „daß die Mitglieder des neu gewählten Vorstands gedeihlich miteinander zusammenarbeiten. Das Bemühen darum ist auf allen Seiten vorhanden.“

Intern jedoch gibt es auch andere Wortmeldungen. In einem Schreiben an seine Kollegen beklagt Vorstandsmitglied Hans Hausberger, im Vorfeld der Wahl habe es von Mitgliedern des „Flügels“ der AfD den Versuch gegeben, mit unlauteren Mitteln mehr Einfluß in der Stiftung zu bekommen. In diesem Zusammmenhang sei der (vorherige) Stiftungsvorstand „gezielt diffamiert“ worden. So habe man in WhatsApp-Gruppen verabredet, einzelne Mitglieder „aus dem Weg zu räumen“. Dieses Vorgehen, so Hausberger, sei um so unverständlicher, da es immer das Ziel gewesen sei, das gesamte Spektrum des „alternativen Lagers“ in der Stiftung abzubilden. Man habe es allerdings „für unklug und brandgefährlich“ gehalten, „in den Leitungsgremien jetzt Repräsentanten des rechten Flüges nach vorn zu ziehen, da dies dem Gegner willkommene Vorwände liefern“ würde. Denn der werde „alles tun und buchstäblich das Haar in der Suppe suchen, nur um die uns ab 2022 zustehenden Staatszuschüsse doch noch zu vermeiden“. Hausberger warnte davor, daß eine Erwähnung im Bericht des Verfassungsschutzes, der den „Flügel“ als „Verdachtsfall“ bewertet, die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zur Folge hätte und damit automatisch den Verlust der staatlichen Förderung nach sich zöge. 

Aus dem Schreiben des Vorstandsbeisitzers geht vor allem Enttäuschung über das Vorgehen von Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel hervor. Das Gesprächsklima zu ihr habe sich „allmählich verschlechtert“, heißt es im Schreiben. Das ist bemerkenswert, da zur Zeit des Konkurrenzkampfes um die Anerkennung als parteinahe Stiftung der AfD Weidel als vehemente Mitstreiterin von Hausberger und Steinbach zugunsten der DES agierte, während der „Flügel“ seinerzeit mehrheitlich für die Gustav-Stresemann-Stiftung votiert hatte. 

Weidels Büro teilte auf Anfrage der JF mit, sie sehe die aktuelle Lage „sehr gelassen“ und gehe davon aus, daß „alle zum Wohle der Stiftung arbeiten“. Die Sorge, die Hausberger und mit ihm auch andere umtreibt, ist eine verstärkte Einflußnahme von seiten des Instituts für Staatspolitik (IfS) auf die Erasmus-Stiftung. Indiz dafür sei die von ihm selbst als Zugeständnis an Weidel widerstrebend befürwortete Vorstandsmitgliedschaft von IfS-Chef Erik Lehnert. In einer Facebook-Gruppe hatte Hausberger noch betont, es „werde keinen Flirt mit Schnellroda geben“, die Stiftung lasse sich „nicht kapern“. 

Klar ist, die DES könnte erhebliches Potential im vorpolitischen Raum entwickeln, wenn ihr die staatlichen Mittel ausgezahlt werden; dies dürfte der Fall sein, sobald die AfD nach der nächsten Wahl wieder in den Bundestag einzieht. Das weckt Begehrlichkeiten. Letztlich, so schätzen es Beobachter aus dem näheren Umfeld der Stiftung ein, gehe es in dem Streit um die Frage, als was die parteinahe Stiftung der AfD dienen soll: als „Think tank“ in erster Linie für das eigene Personal; oder als eine Möglichkeit, auch einen Fuß in Kreise zu bekommen, die mit der AfD – noch – so ihre Kontaktscheu haben. Mit dieser Idee, so unkt ein Kenner der Szenerie, sei es jedoch vorbei, „sobald Schnellroda und der Name Götz Kubitschek in diesem Zusammenhang genannt werden“. Dann werde man nur „im eigenen Saft schmoren“ können. 

Vom Tisch sind für Erika Steinbach indes die Pläne, die Desiderius-Erasmus-Stiftung in Stresemann-Stiftung umzubenennen. Dies war einmal als Kompromiß mit der Stresemann-Stiftung vorgesehen worden, als es um die Anerkennung als parteinahe Institution der AfD ging. Vergangene Woche hatte das Berliner Landgericht einer Klage von Nachkommen Gustav Stresemanns (1878–1929) stattgegeben: Die Verwendung seines Namens für politische Zwecke verstoße gegen das Namensrecht. „Das gerichtliche Urteil gegen die Nutzung des Namens Stresemann für die Stiftung war mir von vornherein klar. Denn zum gleichen Ergebnis kam ja schon ein von uns zuvor in Auftrag gegebenes Gutachten“, sagte Steinbach der JF und bekräftigte: „Wir werden uns keinen Namen geben, den man nicht benutzen darf.“