© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/19 / 11. Oktober 2019

Mit den Zahlen jongliert
Manipulationsvorwurf: Wie ARD-„Kontraste“ mit einer Statistik eine Negativschlagzeile über die AfD konstruiert hat
Ronald Berthold

Der Umgang mit Zahlen geht bei der ARD ungefähr so: Nach dem Abschluß des sechsten Spieltags und dem 4:0-Sieg beim 1. FC Köln war Hertha BSC Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Wie bitte, die Berliner standen doch nur auf Platz zehn? Ja, aber wenn man nur die beiden vergangenen Partien rechnete, waren sie Erster. 

Die „Sportschau“ hat das so nicht berichtet. Sie hätte sich damit lächerlich gemacht. Wenn Statistiken für den Zuschauer weniger leicht zu überprüfen sind, dann hat die ARD mit solcher Spitzfindigkeit allerdings kein Problem – und wenn es um die AfD geht. Das Politmagazin „Kontraste“ ging kürzlich so vor: Die Reporter wollten beweisen, daß die Abgeordneten der Oppositionsführerin am häufigsten die namentlichen Abstimmungen im Bundestag schwänzen. Die Zahlen seit Beginn der Legislaturperiode geben das aber nicht her. Bei 112 Abstimmungen fehlten durchschnittlich 12,1 Prozent der AfD-Parlamentarier, bei den Linken lag die Quote bei 13,9 Prozent.

Trotzdem berichtete „Kontraste“, daß die AfD sich zwar mit „einer hohen Anwesenheit der eigenen Abgeordneten“ schmücke, aber in Wirklichkeit sei „die AfD die Fraktion mit der höchsten Fehlquote (13,57 Prozent) bei namentlichen Abstimmungen“. Dies gehe aus einer Analyse hervor, für die „alle von der Verwaltung des Deutschen Bundestags veröffentlichten namentlichen Abstimmungen seit Mitte Oktober 2018 ausgewertet“ worden seien. 

Seit Mitte Oktober 2018 – hier ist der Haken. Denn das waren nicht alle Abstimmungen. Nach dem Auswertungszeitraum bis zum 26. September 2019 folgten jedoch sechs weitere. Auch dabei fehlten die Linken-Abgeordneten mit 26,6 Prozent am häufigsten. Die AfD lag bei 12,2 Prozent. Und vor Oktober 2018 – im Zeitraum zurück bis zum 12. Dezember 2017 – fehlten bei 40 namentlichen Abstimmungen im Schnitt 9,2 Prozent der blauen Parlamentarier, aber 13,8 der Linken. Warum aber hat die „Kontraste“-Redaktion diese sehr willkürliche Zeitspanne mit lediglich 66 namentlichen Abstimmungen gewählt? Man kann nur spekulieren, doch wahrscheinlich ist: Weil es die einzige Periode ist, in der man zu dem schlagzeilentauglichen Ergebnis kommt, daß die AfD-Abgeordneten die abstimmungsfaulsten sind.

Die Netzseite sciencefiles.org, die nach Hinweis eines Lesers als erste über die Unstimmigkeiten berichtete, wirft dem Sender „boshafte“ Manipulationsabsicht vor, was die Frage aufwirft, warum zahlreiche Medien von Welt bis Spiegel die „Kontraste“-Ergebnisse übernommen haben.