© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Zeitschriftenkritik: Forschung Frankfurt
Den Streit aushalten
Werner Olles

Sind Konflikte in der Gesellschaft Triebkraft oder Sprengstoff? Die Politologin Nicole Deitelhoff rät im aktuellen Heft des zweimal jährlich erscheinenden Wissenschaftsmagazins der Frankfurter Goethe-Universität Forschung Frankfurt (1/2019) zu „Mehr Mut!“, denn Streit und Auseinandersetzung seien wichtig für moderne demokratische Gesellschaften. Selbst „Wutausbrüche und Frustrationspotential“ sollten ausgehalten werden, und „keineswegs müsse man den anderen von Beginn an als gleichberechtigt wahrnehmen“. Man müsse ihn noch nicht einmal mögen. Doch gebe es im linken Spektrum die Auffassung, bestimmte Meinung von vornherein auszuschließen, „weil sie als nichtdemokratisch oder antiliberal gelten“. Für Deitelhoff ist dies eine „antidemokratische Haltung“, denn Äußerungen, die nur „rechtskonservativ oder rechtspopulistisch sind, denen müssen wir uns stellen – egal, was wir von ihnen halten“. Gerade die Universitäten sollten der Raum sein, grundsätzlich zu streiten.

Der Soziologe Thomas Scheffer schreibt in einem ansonsten diskussionswürdigen Beitrag zu dem Schwerpunktthema, die politische Polarisierung führe dazu, „daß Konflikte als Antagonismen entlang von Freund-Feind-Schemata ausgetragen werden“. Die Diskutanten suchten nicht nach besten Lösungen, sondern stehen sich als „unversöhnliche Kontrahenten“ gegenüber, die sich „wechselseitig für Probleme verantwortlich machen“.

In ihrem Beitrag „Frieden durch Strafe? Zur Rolle des Strafrechts bei der Aufarbeitung des kolumbianischen Bürgerkriegs“ plädiert die Rechtswissenschaftlerin Franceline Delgado Ariza für eine Aufarbeitung der paramilitärischen Taten und der Verbrechen der kommunistischen Guerillagruppe FARC, die ihren Kampf durch Entführungen, Erpressungen und Drogenhandel finanzierte. Während die Paramilitärs bereits 2005 demobilisiert wurden, terrorisierte die FARC die Bevölkerung bis 2016. Ihre Umwandlung in eine politische Bewegung mißlang weitgehend, und bei Wahlen wurden sie von den aufgebrachten Kolumbianern wegen ihrer zahllosen Gewalttaten abgestraft. 

Die Geographin und Wolfsforscherin Michelle Müller beschreibt in dem Beitrag „(K)ein Platz für Wölfe. Wie die Rückkehr des Rudeltiers die Geister spaltet“, daß auch die Natur Konflikte produziert. Inzwischen verbreiten sich in Mitteleuropa Wölfe unter Naturschutz, 2018 lebten bereits 73 Rudel und 31 Paare in der Bundesrepublik. Zwar nimmt die Zahl an Nutztierrissen zu, doch die Nähe zu Menschen suchten sie nicht. Wissenschaftliche Belege, daß Wölfe ihre Scheu verlieren, wenn sie nicht gejagt werden, gebe es keine. Müller plädiert für geeignete Schutzmaßnahmen für Nutztiere durch große, kräftige Herdenschutzhunde und hohe Elektrozäune mit einer Stromstärke von mindestens 3.000 Volt. Diese Schutzmaßnahmen hätten Wölfe bisher nur in wenigen Fällen überwunden.

Kontakt: Helga Ott, Theodor-W. Adorno-Platz 1, Campus Westend. 60323 Frankfurt. Das Einzelheft kostet 6 Euro, ein Jahrsabo 12 Euro. 

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