© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Die Phantastereien der „erneuerbaren Wärme“
Für eine massive Umstellung von Ölheizung auf Wärmepumpen fehlt eine verläßliche Stromversorgung
Marc Schmidt

Das vorige Woche vom Bundeskabinett beschlossene „Klimaschutzprogramm 2030“ ist mehr als eine überhastete Reaktion auf die westliche Schulschwänzerbewegung „Fridays for Future“ und ihre radikaleren Gesinnungsfreunde von „Ende Gelände“ oder die von Großspendern finanzierte „Extinction Rebellion“. Sie ist in weiten Teilen eine Absage an die soziale Marktwirtschaft. Früher konnte man sich auf ingenieurgetriebenen technologischen Fortschritt als Wachstumsmotor verlassen. Inzwischen wird das Lexikon verfehlter Technologie- und Förderpolitik nach Solartechnik, Energiewende, E-Mobilität und Dämmwahn um das Schlagwort Wärmepumpe bereichert.

Sie wird als Technik der Zukunft in Abschnitt III (Sektor Gebäude, Erneuerung von Heizungsanlagen) des Klimapakets festgelegt, der sich mit dem Austausch von Öl- und Gasheizungen als Förderschwerpunkt befaßt. Diese Techniken sollen durch „erneuerbare Wärme“ oder „effizient hybride Gasheizungen, die anteilig erneuerbare Energien einbinden“, ausgetauscht werden. Ziel sei, daß „Deutschland bis zum Jahr 2030 55 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase wie CO2 ausstößt“. Daß es bei der Staatsbank KfW derzeit noch Fördergelder für neue Ölheizungen gibt und diese Kredite langfristig laufen, zeigt exemplarisch, wie einseitig das Klimapaket die Partikularinteressen von Lobbygruppen aufgegriffen hat.

Kein sparsamer Ersatz für Erdgas- und Ölheizungen

Ein 150-Quadratmeter-Einfamilienhaus verbraucht bei zwei Geschossen etwa 3.500 Liter Öl und 4.300 Kilowattstunden (kWh) Strom jährlich. Eine Umstellung auf ein Öl-Brennwertgerät für 11.400 Euro senkt die Verbräuche auf 2.450 Liter Öl und 4.100 kWh. Ein solches Gerät kann wie eine Erdgasheizung mit Solaranlagen und Warmwasserspeichern kombiniert werden. Die vom Steuerzahler mitfinanzierte schwarz-rote Idealvorstellung ist die Umstellung auf Strom-Wärmepumpen. Eine solche Umrüstung kostet etwa 25.000 Euro, senkt den Ölverbrauch auf null, treibt aber den Stromverbrauch auf 13.350 kWh. Multipliziert man diesen Mehrverbrauch von 9.200 kWh pro Umrüstung mit den 8,7 Millionen Ölheizungen, ergibt dies einen jährlichen Strommehrverbrauch von über 80 Terawattstunden (TWh).

Zum Vergleich: Voriges Jahr speisten die verbliebenen deutschen AKW gut 76 TWh ins Stromnetz. Die Bundesregierung geht aber nur von geringem Zuwachs des Stromverbrauchs durch Wärmepumpen aus. Die einzige Erklärung dafür ist die Annahme, daß die Wärmepumpenförderung ähnlich schlecht verlaufen wird wie die mangels Nachfrage erneut verlängerten Kaufanreize für teure E- und Plug-in-Hybrid-Autos.

Das widerspricht dem Regierungsversprechen, den deutschen Stromverbrauch bis 2050 um ein Viertel zu senken. Würden alle Ölheizungen auf eine reine Wärmepumpenlösung umgestellt und die 40prozentige Förderung der Umrüstkosten von 25.000 Euro beansprucht werden, würde dies den Steuerzahler 87 Milliarden Euro (die Einkommensteuereinnahmen von drei Jahren) kosten – nicht gerechnet die Milliardeninvestitionen in Übertragungsnetze und Stromspeicher. Die Speichernotwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, daß die Hauptnutzungszeit für Wärmepumpen als Heizsysteme im Winter in den Abend- und Nachtstunden liegt, in denen Windkraftanlagen nicht immer und Solaranlagen gar nichts produzieren. Auch wenn der Bund seit 2011 eine „Förderinitiative Energiespeicher“ mit dreistelligen Millionenbeträgen ausstattet, sind „bis auf weiteres einzige Möglichkeit für eine großmaßstäbliche Stromspeicherung“ die 31 derzeit existierenden Pumpspeicherkraftwerke (PSW) in Deutschland (Wasserwirtschaft 10/17).

Keine Puffermöglichkeit für Wind- und Solarstrom

PSW befinden sich meist in bergigen Gegenden, denn sie benötigen ein riesiges oberes Becken, in das bei einem Stromüberangebot Wasser vom unteren Becken hochgepumpt wird. Bei Strommangel werden die oberen Schleusen geöffnet, und dank Gefälle wird so wieder Strom erzeugt. Der PSW-Wirkungsgrad beträgt zwar zwischen 70 und 85 Prozent, aber ihr gesamter Speicherenergie­inhalt liegt bei bescheidenen 0,0374 TWh. Das rheinische Braunkohlekraftwerk Neurath speist aber jährlich 31,3 TWh ins Stromnetz ein. Die 31 PSW könnten also nicht einmal eine halbe Neurather Tagesleistung ersetzen.

Das erste automatische PSW Deutschlands ging 1934 an der Saale bei Ziegenrück in Ostthüringen in Betrieb. Mit einer Leistung von 3,76 Megawatt (MW) kann es bestenfalls eine ältere Windkraftanlage puffern. Das größte PSW, Goldisthal im Thüringer Schiefergebirge, kommt auf 1.060 MW – es könnte etwa 100 Offshore- oder 250 moderne Windkraftanlagen im Binnenland acht Stunden lang ersetzen. Doch das 2003 nach Querelen mit Naturschützern in Betrieb genommene, noch zu DDR-Zeiten begonnene Megaprojekt vernichtete ökologisch wertvollen Lebensraum. Es kostete – ohne die Vorarbeiten bis 1988 – 620 Millionen Euro. Um die derzeit über 30.500 deutschen Windenergieanlagen bei tagelangen Dunkelflauten zu puffern, wären Hunderte neue PSW nötig. Theoretisch finanzierbar – aber es gäbe praktisch keine Standorte dafür.

Das Energieinstitut Hessen hat in seinem „Wärmepumpenmanifest“ auf die zahlreichen Unzulänglichkeiten der Technik in der Praxis hingewiesen. In ihrem Papier decken die Ingenieure zudem weitere gravierende Mängel der politischen Wärmepumpen-Fokussierung auf. Die Bundesregierung rechnet bei den Annahmen für die positiven Effekte des Wärmepumpeneinsatzes mit COP-Werten (Coefficient of Performance), die die Jahresarbeitszahl (JAZ) ersetzen. Ein Wert von 3 bedeutet: Aus einer kWh Strom entstehen – über einen 1912 von dem Schweizer Ingenieur Heinrich Zoel­ly patentierten „umgekehrten“ Kühlschrankprozeß – drei kWh Wärme.

Die im Klimapaket angenommenen COP-Werte von 5,7 für erd- und 4,9 für luftgestützte Wärmepumpen sind Laborwerte unter Idealbedingungen. Praxistests von Luft-Luft-Systemen ergaben Durchschnittswerte von 2,4 (Warmwasser) und 2,8 (Heizung). Effizient im Vergleich zu Gas ist eine Anlage in der Praxis erst ab einem COP/JAZ-Wert von 4 im Dauerbetrieb. Die wesentlich teureren erdgestützten Systeme mit Werten von 3,8 bis 4 sind wegen des Flächenbedarfs in Städten nur bei sehr lockerer Bebauung, niedrigem Grundwasserspiegel und einigen weiteren Bedingungen einsetzbar.

Folglich sind luftgestützte Systeme trotz geringer Effizienz im bisherigen Nischenmarkt führend und werden dies bleiben. Der Bundesverband Wärmepumpe argumentiert wie die Bundesregierung: Die Anlagen seien hocheffizient und könnten ganzjährig CO2-freie Wärme liefern. Die Potentiale zur Nutzung von Erd- und Umweltwärme seien „nach menschlichem Ermessen unbegrenzt“. Daher müsse der Zubau von Wärmepumpen „deutlich beschleunigt werden“.

 „Wärmepumpen-Manifest“:  

www.energieinstitut-hessen.de

 waermepumpe.de/

 wind-energie.de/