© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/19 / 18. Oktober 2019

Frisch gepresst

Völkerwanderung. Anders als im Geschichtsunterricht in der „Feuerzangenbowle“ dürften sich die Wanderungsströme zwischen dem dritten und achten Jahrhundert etwas komplexer dargestellt haben, als in Umrissen mit Pfeilen auf der europäischen Landkarte. Die Frage, wie genau sich die Züge von Hunnen, Goten oder Vandalen darstellten, beschäftigt seit Generationen die Geschichtswissenschaft. Diese bewegt sich bezüglich der Quellenlage stets auf dünnem Eis, da neben römischen Darstellungen die germanischen oder asiatischen „Barbaren“ aus diesen Jahrhunderten selbst – wenn überhaupt – nur spärliche schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben. Der Tübinger Althistoriker Mischa Meier hat sich nach zehnjähriger Forschung der Mammutaufgabe gestellt und eine umfassende, über 1.500seitige Darstellung der „Völkerwanderungen“ zwischen Spätantike und Frühmittelalter vorgelegt. Wie viele seiner Fachkollegen gebraucht er diesen Terminus „mit Unbehagen“, da er nicht an das Bild „wandernder Völker“ glaubt. Allerdings will er deshalb auch nicht gleich jedes Phänomen ethnisch gelenkter Migration dekonstruieren. Das würden schon die kurzzeitigen, von „Stämmen“ geprägten Reiche wie jene der Burgunder oder Westgoten innerhalb des weströmischen Imperiums kaum plausibel machen. (bä)   

Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Euro-pa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. C.H. Beck, München 2019, gebunden, 1.532 Seiten, 58 Euro





Hannah Arendt. Bei dieser Briefedition schien alles zu passen. Einerseits steht ein Weltstar zur Verfügung, die Philosophin Hannah Arendt (1906–1975). Andererseits tritt der Erfinder des bundesdeutschen „Verfassungspatriotismus“, der Publizist Dolf Sternberger (1907–1989), als ihr Briefpartner auf den Plan. Und mit Udo Bermbach wurde dessen ehemaliger Assistent als Herausgeber gewonnen. Trotz Idealbesetzung erfreuen den Leser am Ende allein die kundigen Anmerkungen des Emeritus Bermbach. Von Hannah Arendt, einer notorisch schlechten, weil dem Motto „Fasse Dich kurz!“ huldigenden Briefschreiberin, nimmt Bermbach den Eindruck einer an Berufungsquisquilien und Privatkram mehr als an der politischen Gegenwart des Kalten Krieges interessierte Professorin mit. Um „außergewöhnliche Dokumente der deutschen Geistesgeschichte“, wie der Verlag lockt, handelt es sich darum nicht. (wm)

Hannah Arendt, Dolf Sternberger: „Ich bin Dir halt ein bißchen zu revolutionär“. Briefwechsel 1946 bis 1975, Rowohlt Verlag, Berlin 2019, 477 Seiten, Abb., 38 Euro