© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

„Die AfD ist die neue NPD“
Zwei Wochen nach Halle: Innenminister stellen Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus vor / AfD weiter unter Beschuß
Paul Leonhard

Auch zwei Wochen nach dem grausamen Attentat in Halle reißen die Diskussionen darüber nicht ab. Die Innenministerkonferenz hat sich am vergangenen Freitag auf einem Sondertreffen auf erste gesetzliche Maßnahmen geeinigt, um verstärkt gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Demnach sollen Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz künftig mehr Personal im Kampf gegen den Rechtsextremismus erhalten, das Verbot rechtsextremistischer Vereinigungen soll konsequent geprüft werden. 

Der Schutz von Synagogen müsse besser sichergestellt werden, heißt es in einem Beschlußpapier. Abhilfe schaffen soll hier mehr Polizeibewachung und verstärkte bauliche Maßnahmen. Außerdem werde die Meldepflicht für Anbieter im Internet bei strafbaren Inhalten verschärft, inklusive einer Löschungspflicht (Seite 17). Auch das Waffenrecht möchten die Innenminister verschärfen, unter anderem bei der Ersterteilung einer Waffenerlaubnis.

Pistorius: „Niemand will einen Radikalenerlaß“

Politisch motivierte Kriminalität von rechts soll künftig gerichtlich schneller geahndet werden können, indem Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet und beschleunigte Verfahren angewandt werden. Damit das „Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat nicht erschüttert“ wird, soll geprüft werden, „inwiefern bei extremistischen Bestrebungen disziplinarrechtliche Konsequenzen bis zur Entziehung des Beamtenstatus“ in den Behörden ermöglicht werden können, was nach Aussage des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) gegenüber der Rheinischen Post auf Mitglieder des bereits vom Verfassungsschutz beobachteten „Flügels“ der AfD zielt. 

Während Pistorius noch versicherte, „niemand von uns will einen Radikalenerlaß“, sehnt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) diesen bereits herbei: „Ich kenne den Umgang des Staates in den siebziger Jahren mit dem Linksterrorismus der RAF nur aus dem Westfernsehen, aber da hat der Staat doch Zähne gezeigt.“ Auch CSU-Chef Markus Söder nutzte die Gunst der Stunde, um zum wiederholten Male gegen die AfD zu schießen: „Die AfD ist ganz sicher keine bürgerliche Partei“, sagte er auf dem CSU-Parteitag in München. „Die AfD ist die neue NPD.“ Die „Brandstifter des rechtsnationalen Flügels um Björn Höcke“ nannte er „verfassungsfeindlich“.

Unterdessen fand in Halle am Wochenende ein Konzert statt, organisiert vom Mitteldeutschen Rundfunk für die „verletzte Stadt“ (MDR Kultur), das abwechselnd als Gedenk- und Solidaritätsveranstaltung bezeichnet wurde. Rund 15.000 Personen fanden sich vor Ort ein. 

In den sozialen Medien entbrannte ein heftiger Streit darüber, ob es richtig sei, nur eineinhalb Wochen nachdem zwei Menschen starben und zwei weitere Personen schwer verletzt wurden, eine öffentliche Party in der Saalestadt stattfinden zu lassen. Zuvor hatten in einer gemeinsamen Erklärung mit Ausnahme der AfD alle Fraktionen des Stadtrates von Halle die Opfer des 27jährigen Stephan B. betrauert und sich von Antisemitismus, Gewalt und Extremismus distanziert. So steht es im aktuellen Amtsblatt der Stadt. Was allerdings nicht erwähnt wurde, ist der Fakt, daß die AfD von dieser Erklärung ausgeschlossen, ja nicht einmal über das Vorhaben informiert wurde. 

„Stadträte, die sich demokratischen Grundsätzen und dem menschlichen Anstand verpflichtet fühlen, ließen unserer Fraktion die Erklärung heimlich zukommen“, heißt es auf der Facebook-Seite der AfD-Stadtratsfraktion. Natürlich schließe man sich der gemeinsamen Erklärung ausdrücklich an. Die AfD Halle habe sich „bereits mehrfach von Antisemitismus, Gewalt und Extremismus distanziert“, schrieb die Stadtratsfraktion.