© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

Eidgenossen im Klimarausch
Parlamentswahl in der Schweiz: Während die „Etablierten“ verlieren, feiern die beiden grünen Parteien ihre Zuwächse
Paul Leonhard

Das Schweizer Wahlvolk hat sich beim deutschen Nachbarn angesteckt. Das Klima ist das Thema allerorten. Aber nicht nur Klima- und Umweltschutz hatten wenige Wochen vor den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag Hochkonjunktur, auch bei Fragen der Drogenlegalisierung und der Rechte Homosexueller vertreten selbst Kandidaten der Mitte zunehmend Positionen, die „eher nach links anschlußfähig sind als für einen bürgerlichen Schulterschluß taugen“, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schrieb. 

Auch die Freisinnigen seien mehrheitlich für legales Marihuana, die CVP offenbart einen Sinneswandel bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen. 

Einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP) bleibt sich treu und findet sich deswegen, obwohl stärkste Partei, „oft allein in der Oppositionsrolle wieder“, konstatiert die NZZ. Doch diese Oppositionsrolle nutzte der SVP bei diesem Wahlgang nichts. Trotz Verlusten bleibt die Volkspartei jedoch stärkste Kraft im Nationalrat. Die SVP schnitt mit 25,6 Prozent um rund vier Prozentpunkte schwächer ab als noch vor vier Jahren.

SVP will keine Kurskorrektur vornehmen 

Auch die Sozialdemokraten (16,8 Prozent; minus 2,0) und die FDP (15,1 Prozent; minus 1,3) verloren. Klarer Gewinner und stärker als die christdemokratische CVP (12 Prozent; plus 0,4) sind die Grüne Partei (GP) mit 13,2 Prozent (plus 6,1) und die Grünliberale Partei (glp) mit 7,8 (plus 3,2) Prozent. 

Die GP („Eine Stimme für das Klima“) jubelte: „Die Wähler*innen fordern einen raschen und sozialen Weg aus der Klimakrise“. Die Treibhausgase müßten „rasch und ambitioniert“ gesenkt werden „Außergewöhnliche Situationen verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen“, betonte die Partei, um im gleichen Atemzug einen Bundesratssitz zu fordern. Schon vor der Wahl war spekuliert worden, die Grünen könnten zusammen mit der glp einen Sitz in der Regierung anstreben. In dem Gremium verfügen die Sozialdemokraten, die Freisinnigen und die SVP jeweils über zwei, die CVP über einen Sitz.

Trotz des Verlustes von zwölf Parlamentssitzen weist Parteichef Albert Rösti Rufe nach einem Rücktritt von sich. Von der Sitzverteilung (53 von 200 Sitzen) sei die Partei nun wieder auf dem Stand von 2011. Für den Verlust ausschlaggebend sei die „wahnsinnig oberflächliche Klima-Diskussion“ gewesen. Doch eine „Anti-Umwelt-Partei“ sei die SVP keinesfalls, erklärte Rösti, der die Partei seit April 2016 führt: „Die SVP ist für saubere Luft und eine intakte Umwelt. Das haben wir nie bestritten.“ Die SVP setze auf „Innovationen statt auf Abgaben und Verbote“.

Als erneut stärkste Partei des Landes will sich die SVP weiterhin entschieden  gegen die „bevorstehenden Anfeindungen der Schweiz zur Wehr setzen und sich für die Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit des Landes einsetzen. Parallel dazu will sie weiter „gegen die Abzockerei der Bürger durch Benzin- und Heizölpreiserhöhungen, für die Begrenzung der Zuwanderung und für die Bekämpfung des Asyl- und Sozialhilfemißbrauchs“ kämpfen.