© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/19 / 25. Oktober 2019

Warum die Welt so ist, wie sie ist
Konferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland: Entfesselter Kampf zwischen Logik und Emotion / Ersetzt die „richtige“ künftig die Mehrheitsmeinung?
Christian Dorn

Während im Glashochhaus der Süddeutschen Zeitung angesichts von Rekordsteuern und Zinsen unterhalb der Inflationsrate davon geschwärmt wird, Geld vom Staat mache das Sparen attraktiv, gab es sieben Kilometer entfernt im „Bayerischen Hof“ am Münchner Promenadeplatz ein Kontrastprogamm: Hier tagte die 7. Mises-Konferenz, um sich der „immer aggressiver“ werdenden Angriffe auf die freiheitliche Gesellschaft zu erwehren. So verwies Thorsten Polleit, Präsident des Mises-Institut Deutschland, auf die 10.000 täglichen Homepageaufrufe und die verdoppelte Youtube-Abonnentenzahl.

Laut Andreas Marquart, Institutsvorstand und Autor des „Crashkurs Geld“ (Finanz-Buchverlag 2019), das über den Grundfehler des beliebig vermehrbaren „Fiat money“ aufklärt, erleben wir derzeit „die größte Enteignung, die jemals zu Friedenszeiten stattgefunden hat“. Diese vollziehe sich via „Euro-Rettung“ und „Energiewende“, zwei Phänomenen der immer stärker hervortretenden „Befehlswirtschaft“.

Die Gründe für die hier ausbleibende Revolte seien dabei vielschichtig. Folgerichtig begann die Tagung mit dem psychoanalytischen Vortrag des Autors und Künstlers Raymond Unger: „Generation Babyboomer: Warum das transgenerationale Kriegstrauma die deutsche Gesellschaft spaltet.“ Der Autor des Buches „Die Wiedergutmacher“ legte dar, wie die heutige Gesellschaft „von einem femininen Narrativ dominiert“ werde, in welcher die Jungen auf ihre Mutter gespiegelt blieben, und konkretisierte: „Wenn Sie sich jetzt das Kabinett Merkel vorstellen, haben Sie da relativ wenig toxische Männlichkeit.“ Die Orientierung an Mises verlange stattdessen ein Narrativ der Selbstbehauptung, unter der Grundannahme von Wettbewerb und einem Grundvertrauen in sich selbst regulierende Prozesse. Stattdessen litten die Kriegsenkel unter einem Helfersyndrom, sie würden keine Grenzen kennen. Dergestalt erschienen sie als „bedürftige narzißtische Persönlichkeiten“, die sich – aufgrund internalisierter Scham – „mit politischer Korrektheit und Hypermoralität“ selber stabilisierten.

Zwangstherapie und Political Correctness

Im „Schuldstolz“ verkörpere sich die kreative Leistung der eigenen Psyche. Damit einher gehe die Bekämpfung von Freidenkern wie in der Klimadebatte: So wurde aus dem „Klimaskeptiker“ der „Klimaleugner“, der eine semantische Nähe zum Straftatbestand Holocaust-Leugnung aufweist, und neuerdings der „Klimaschädling“. So habe unlängst ein Beitrag im Münchner Psychotherapeutenjournal wegen der von „Klimaleugnern“ ausgehenden Fremd- und Eigengefährdung eine Zwangstherapie nahegelegt.

Philosophische Erleuchtung versprach der Auftritt des in Erlangen und in Brasilien lehrenden Ökonomen Antony Mueller in seinem Vortrag „Revolution auf Samtpfoten: Wie der Marxismus seinen Herrschaftsanspruch durchsetzt“. Leitmotivisch sei hierfür bis heute das 1848 von Marx und Engels publizierte „Kommunistische Manifest“, das die „Aufhebung“ des Privateigentums sowie der Familie, die Abschaffung der Nationalität (Arbeiter haben kein Vaterland) und den radikalen Bruch mit den hergebrachten Traditionen und dem Erbe forderte, kurz: den Zivilisationsbruch.

1989 sei der revolutionäre Alt- durch den Neomarxismus abgelöst worden. Der setze auf Reformen. So verkörpere die Political Correctness statt der Mehrheits- die „richtige“ Meinung, gemäß dem Rousseauschen Ideal der „volonté générale“. Nicht zuletzt habe den Marxismus das biblische Bild von der Jakobsleiter geprägt – nicht zufällig, sei doch der Sozialismus als neue Kirche unter die Menschen gebracht worden (Henri de Saint-Simon).

Erhellend wirkte auch der Vortrag des Volkswirts Philipp Bagus über die wieder aktuelle Illusion des „demokratischen Sozialismus“, der seit je durch drei Phasen gekennzeichnet sei: Zuerst die „Flitterwochen“, in der alle Intellektuellen begeistert sind, sodann die Verteilungsphase, in der bereits die Probleme sichtbar werden, das Experiment aber durch Gegenangriffe nach außen und Ausflüchte verteidigt wird, und schließlich die „Trennung“: Die Intellektuellen distanzieren sich, denn dies sei „gar nicht der wirkliche, richtige Sozialismus“ gewesen. Irritierend blieb am Ende die – erstaunlich – unwidersprochen gebliebene These Bagus’, der die Existenz „geistigen Eigentums“ in Abrede stellte.

Videos der Mises-Konferenz „Logik versus Emotion. Warum die Welt so ist, wie sie ist“: www.misesde.org