Dieser Wahlsonntag war ein Schlag ins Kontor der ohnehin gebeutelten Sozialdemokraten. Ausgerechnet in Hannover, einer der letzten roten Hochburgen, ist die SPD schon in der ersten Runde der Oberbürgermeisterwahl ausgeschieden. Seit 1946 hat die Partei hier den Chefsessel im schloßähnlichen Neuen Rathaus besetzt. Amtsinhaber wie der legendäre Herbert Schmalstieg, von 1972 bis 2006 Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt, prägten die politische Landschaft. Auch der aktuelle Ministerpräsident Stephan Weil legte hier den Grundstock seiner politischen Karriere.
Und jetzt das. SPD-Kandidat Marc Hansmann landete mit 23,6 Prozent lediglich auf Platz drei. Enttäuscht und den Tränen nah sei er gewesen, gab er zu, nachdem das Ergebnis feststand. Der örtliche SPD-Vorsitzende Alptekin Kirci kündigte bereits seinen Rückzug an.
Ganz anders die Stimmung bei den Grünen: Mit 32,2 Prozent und 60.095 Stimmen führt deren Kandidat, der Landtagsabgeordnete Belit Onay im ersten Wahlgang denkbar knapp vor dem parteilosen Kandidaten Eckhard Scholz (32,2 Prozent, 60.046 Stimmen), den die CDU ins Rennen geschickt hat. Onay, Rechtsanwalt und Kind türkischer Einwanderer, trat unter anderem mit der Forderung nach einer „kommunalen Verkehrswende“ an. Solche Themen hätten „viele Menschen offensichtlich überzeugt“, sagte er am Wahlabend. Auch der frühere Chef des Hannoveraner VW-Nutzfahrzeugwerks Scholz hatte Grund zu jubeln. Solch ein „sensationelles Wahlergebnis“ sei nicht zu erwarten gewesen. Der Parteilose hatte zu Beginn der Auszählung noch auf Platz eins gelegen, dann überholte ihn der Grüne – mit weniger als 50 Stimmen Vorsprung. Sie müssen nun am 10. November in einer Stichwahl gegeneinander antreten.
Mit lediglich 4,6 Prozent landete AfD-Kandidat Joachim Wundrak mit großem Abstand auf Platz vier. Der pensionierte Luftwaffengeneral konnte in einem Wahlkampf, bei dem es um Wohnen, Kita-Plätze und Verkehr ging, offenbar nicht recht reüssieren. Dabei hatte die Nominierung des bisher ranghöchsten Ex-Offiziers in den Reihen der AfD bundesweit für Aufsehen gesorgt (JF 34/19).
Für die Sozialdemokraten in Niedersachsen lief das Wochenende ohnehin nicht gut. Am Samstag hatte Innenminister Boris Pistorius im innerparteilichen Rennen um den SPD-Vorsitz lediglich den vorletzten Platz belegt. Der Schuldige für die Pleite in der Landeshauptstadt war indes schnell ausgemacht: der bisherige Amtsinhaber Stefan Schostok. Er war im Mai in der sogenannten „Rathaus-Affäre“ (JF 26/18) zurückgetreten und hatte den Wechsel in den vorzeitigen Ruhestand beantragt, nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage wegen schwerer Untreue gegen ihn erhoben hatte. Schostok soll über unzulässige Gehaltszulagen von Spitzenbeamten im Rathaus unterrichtet gewesen sein und diese Zahlungen nicht unterbunden haben. Dadurch sei „das Vertrauen vieler Bürger in die Führung der Stadt durch die SPD verlorengegangen“, resümierte Ministerpräsident Stephan Weil.
Das Unheil für die Roten hatte sich bereits im vergangenen Monat von der Küste her angekündigt. In Emden, seit 1956 fest in SPD-Hand, hatte ihnen ein Parteiloser den Chefposten im Rathaus abgeknöpft.