Wenn Matteo Salvini lächelt, dann lächelt die ganze Partei. „Was für ein herrlicher Tag! Ich hasse keine Montage, ich liebe Montage. Und das ist ein außergewöhnlicher Montag.“ An seiner Seite sitzt Donatella Tesei, Salvinis Kollegin und Spitzenkandidatin des bürgerlich-konservativen Bündnisses in Umbrien. Mit über 57 Prozent der abgegebenen Stimmen hat sie ihren Konkurrenten Vincenzo Bianconi bei der Regionalwahl deklassiert. Der schnitt mit mageren 37 Prozent ab.
Zwanzig Prozent Abstand zwischen beiden Lagern – das hat in Italien heftige Debatten ausgelöst. Zahlen sind jedoch nicht das eigentliche Thema: Vielmehr ist es der Ort der Wahl. Umbrien ist mit 900.000 Einwohnern weder demographisch noch ökonomisch bedeutsam. Aber die Symbolwirkung ist enorm.
Am Sonntag haben sich die Verhältnisse umgekehrt
Denn seit den ersten Regionalwahlen im Jahr 1970 sitzt ein roter Ministerpräsident in der umbrischen Hauptstadt Perugia – früher Kommunisten und Sozialisten, heute der sozialdemokratische Partito Democratico (PD). Linke Zweidrittelmehrheiten waren die Regel.
Am Sonntag haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Mit 37 Prozent hat Salvinis Lega fast genauso viele Stimmen eingefahren wie das gesamte linke Lager. Bei der Regionalwahl 2015 waren es noch 14 Prozent. In Terni, der zweitgrößten Stadt Umbriens, fuhr Salvini ein Rekordergebnis von über 40 Prozent ein. Auch die nationalkonservativen Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) von Giorgia Meloni erzielten mit über zehn Prozent ein Rekordergebnis in der mittelitalienischen Region. Die rechtskonservative Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi erreichte fünf Prozent. Doch Melonis Partei ist überraschend drittstärkste Kraft geworden. „Wir haben Umbrien befreit, jetzt befreien wir Italien“, kündigt Meloni an. „Das Experiment M5S-PD ist offiziell gescheitert. Jetzt geht nach Hause.“
Das Experiment: das war nicht nur die neue Regierung in Rom, in der die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Salvinis Lega gegen den PD im September austauschte. Während M5S und Lega selbst in ihren Koalitionszeiten unabhängig voneinander antraten, und die alten Blöcke Mitte-Rechts, Mitte-Links und M5S bestehen blieben, schlug die neue Koalition andere Wege ein. M5S und PD stellten zur Wahl in Umbrien ein eigenes Bündnis auf und kürten mit Bianconi einen gemeinsamen Spitzenkandidaten – nur einen Monat vor der Wahl. Der unterlegene Spitzenkandidat beklagt heute: „Was uns gefehlt hat? Ein Monat mehr.“
Das war nicht der einzige Makel. Die Regionalwahl war eine vorgezogene Neuwahl. Die PD-Ministerpräsidentin Catiuscia Marini war im Mai über einen Skandal im Gesundheitswesen gestolpert. Ergebnis: Die Wähler straften die stolzen Erben der kommunistischen Bewegung mit nur 22 Prozent ab. Ein Minus von 13 Prozent.
Desolates Ergebnis für Fünf-Sterne-Bewegung
Desolater sieht es nur noch beim M5S aus. Die Sterne stürzten auf ein einstelliges Ergebnis: von 14 auf 7 Prozent. Die Entwicklung entfaltet ihre volle Dramatik, zieht man die Statistik für die Parlamentswahl vom März 2018 heran. Damals erreichte die Partei von Außenminister Luigi Di Maio in Umbrien 22 Prozent.
Nach anderthalb Jahren an der Macht steht die größte Fraktion in Rom vor einem Scherbenhaufen. Di Maio gibt selbst zu, daß das „Experiment nicht geklappt“ hat – und pflichtet damit unbewußt Meloni bei. Der Versuch, mit einem vereinten Lager aus Sozialdemokraten und Basislinken Salvini einzuhegen, ist dabei nicht nur gescheitert; er zeigt stattdessen, daß es der „Capitano“ allein mit beiden Gegnern zugleich aufnehmen kann.
Salvinis Strategie, die erste Wahl nach dem Regierungswechsel zum Referendum über die rot-gelbe Koalition zu machen, ist damit aufgegangen. In einer Radiosendung resümiert er: „Ich habe noch nie in der Geschichte zwei Verlierer gesehen, die gemeinsam einen Sieg nach Hause bringen.“ Die Quittung der enttäuschten Sterne-Wähler, die sich von ihrer Partei zugunsten von Koalitionsspielchen verraten sehen, ist überdeutlich.
Innerparteilich wächst die Kritik an Di Maio, insbesondere von ehemaligen Befürwortern der Lega-Koalition. Und der PD zittert vor der Regionalwahl in der Emilia-Romagna. Die Region ist neben der Toskana Stammland der Linken. Im Gegensatz zu Umbrien handelt es sich aber um eine dicht besiedelte Industrieregion.
Dort wird am 26. Januar gewählt. Das Erdbeben von Perugia kann Premier Giuseppe Conte überhören. Wenn es jedoch in Bologna bebt, wackeln auch in Rom die Wände.