© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/19 / 01. November 2019

„Wer zahlt die Steuern für eure Narreteien?“
Ludwig-Erhard-Stiftung: Der Springer-Journalist Ulf Poschardt erhält den Preis für Wirtschaftspublizistik / „Mises-Hayek-Rand-Marktwirtschaftssubkultur“?
Christian Dorn

Die Marktwirtschaft ist nicht planbar. Nichts illustriert dies besser als der Zeitpunkt ihrer Wiederbelebung in Deutschland: Als 1948 die Währungsreform umgesetzt wurde, war es vor allem Ludwig Erhard zu verdanken, daß dies zugleich zur Geburtsstunde des „Deutschen Wirtschaftswunders“ wurde. War doch die hierfür zugrundeliegende Preisfreigabe nicht vorgesehen, sondern eine eigenmächtige Verfügung des damaligen Verwaltungsdirektors für Wirtschaft der westlichen Besatzungszonen gewesen.

Damit habe Erhard, so Roland Tichy, „rechtsabweichlerisch“ und „politisch unkorrekt“ gehandelt. Dieses Beispiel illustriere, so der Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung, wie die Marktwirtschaft immer wieder aufs neue verteidigt werden müsse. So geißelte er die aktuelle Forderung nach „preisgebundenen“ Wohnungen, würden diese doch dadurch letztlich „dem Verfall preisgegeben“. Der Hinweis darauf schien um so dringlicher, als die Verleihung des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik in Berlin stattfindet, dem „Sozialismuslabor“ schlechthin, so Tichy. Hier habe „der Sozialismus noch seine besten 40 Jahre vor sich.“

Doch nicht nur der Berliner Senat beseitige den Wohlstand. Auch die Bundesregierung produziere steigende Preise, zunehmende Umweltbelastungen und CO2-Emissionen, während die Versorgungssicherheit kontinuierlich abnehme. Die verordnete Produktion von Elektroautos führe hin zu halbstaatlichen Batteriefabriken und einer staatlich subventionierten Ladeinfrastruktur. Die Autoindustrie werde „vom Arbeitsplatzmotor und Steuerzahlerantrieb zum Subventionsempfänger umgebaut“.

Die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) avisierte „Industriestrategie 2030“ und die damit verbundene „zeitgemäße Industriepolitik“, mit welcher der Staat Schlüsseltechnologien nach Plan bereitstellen will, erinnere an Bertolt Brechts Frage: „Wer baute das siebentorige Theben?“, die heute lauten müsse: „Wer zahlt die Steuern für eure Narreteien?“

Plädoyer für den „mündigen Konsumenten“

Vor diesem Hintergrund schien die Wahl des diesjährigen Preisträgers Ulf Poschardt, Chefredakteur der Springer-Nachrichtensparte WeltN24, nicht ganz zufällig, hielt der doch ein Plädoyer für den „mündigen Konsumenten“. Schließlich verändere ein Gang in den Supermarkt die Gesellschaft stärker als der Gang zum Wahllokal. Mit der Lust popkultureller Provokation lobte der 52jährige die „Fridays for Future“-Bewegung, die mit „Greta“ eine der größten globalen Marken etabliert habe. Ein Autohersteller, der dieses Role-Model als Testimonial hätte, bräuchte um die eigene Zukunft keine Angst mehr haben.

„Mündig“ hieße dementsprechend, eine radikale Marktdominanz zu erspüren, hier also auf dem „Demonstrationsmarkt“. Die „Extinction Rebellion“-Aktivisten erscheinen als die Exekutoren Immanuel Kants, wenn sie – wie jüngst in der Mall of Berlin – über die Schattenseiten der Textilindustrie aufklärten und so an die Mündigkeit der Konsumenten appellierten. „Capital Bra“ und „Ufo 361“, Rapper mit Migrationshintergrund, seien die „aktuell wichtigsten marktradikalen Ideologen“ Deutschlands, schließlich schilderten diese „Eigenverantwortung, Wettbewerb und Marktwirtschaft in leuchtenden Farben“. Zudem markierten sie „den Übergang vom mündigen Konsumenten zum mündigen Unternehmer“.

Zudem verkörperten diese Hoffnung: „Wenn Sie an Greta verzweifeln, hören Sie die neue Platte von Capital Bra“, so Poschardt. Dies sei „die andere Seite der Jugend“. Beide hätten ihren Markt gleichermaßen verstanden, anders als die „Mises-Hayek-Rand-Marktwirtschaftssubkultur“, die eleganter, gerissener und verführerischer sein müsse. Stattdessen habe sich ein Teil der Marktfreunde „im Sozial-Nationalistischen verloren“, ein anderer sei in „besserwisserische Esoterik abgedriftet“. Ganz anders Poschardt, der im sexy Wonderbra (sprich: Capital Bra) das zwischen Klein- und Clankriminalität etablierte Role-Model der neuen Marktwirtschaft erblickt.

Doch immerhin: Während er als stolzes 68er-Kind im Kinderwagen gegen Notstandsgesetze auf Demos gerollt sei, mache er dort weiter, wo seine Eltern aufgehört haben: „Nun eben gegen Klimanotstandsgesetze.“ Denn „schlechter als im Augenblick könnte es um die soziale und freie Marktwirtschaft im Sinne Erhards kaum stehen.“ Denn: „Wir verlieren dieses Land“. Die Kinder der Klimabewegung seien nur der Anfang, „die ersten Produkte eines vorpolitischen Raums und einer medialen Indoktrination, die sich einen Dreck um die Marktwirtschaft schert“.

 www.ludwig-erhard.de