© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/19 / 01. November 2019

CD-Kritik: Claude Debussy, Aldo Ciccolini
Klavierfarben
Jens Knorr

Aldo Ciccolini (1925–2015), italienischer, französisch naturalisierter Pianist, kompetenter Sachwalter französischer Klaviermusik, insbesondere des ausgehenden 19., angehenden 20. Jahrhunderts, scheint in Vergessenheit geraten. Dem entgegenwirken könnte die Neuedition seiner Aufnahme von Claude Debussys Klavierwerk zu zwei Händen, die Ciccolini 1991 innerhalb einer Woche gemacht hatte, ergänzt durch die der Fantaisie pour piano et orchestre von 1974 und die von Debussys Melodies, der französischen Spielart des Kunstliedes, von 1957, bei der er die Sopranistin Janine Micheau am Steinway begleitete.

Mit Sinn für Hintersinn setzt Ciccolini das provokative Potential der antiakademisch konzipierten Stücke frei, einsichtsvoll ihre unabweisliche Modernität. Er befolgt Debussys Maxime, vergessen zu lassen, daß das Klavier Hämmer hat. Sein Spiel geht auf Klang, Schattierungen und Farben aus, ohne Konturen zu verwischen oder Verläufe zerlaufen zu lassen. Es läßt dem Hörer Bilder aufblitzen, die doch nur aus Noten sich zusammensetzen, und will er sie fassen und halten, so zerspalten sie sich ihm gleich wieder zu nichts als Noten. Wer’s braucht, der überprüfe, was er sah, als er hörte, an den Assoziationshilfen, die Debussy den Préludes beigestellt hat.

Dieser Pianist wußte mit Debussy viel zu sagen.

Claude Debussy Klavierwerke Erato 2019  warnerclassics.com