Außerhalb der Europäischen Union hält sich die Begeisterung für nationalen Souveränitätsverzicht und supranationale Organisationen in engen Grenzen. Am auffälligsten zeigt sich diese Abneigung in Lateinamerika. Die dortigen supranationalen Zusammenschlüsse arbeiten teils gegeneinander, andere wollen dasselbe, und allen gemeinsam sei ihnen: ihre Ziele stehen nur auf dem Papier, wie die Journalisten Cecibel Romero und Toni Keppeler analysieren (Welt-Sichten, 7-8/2019). So wie das nach dem Muster des EU-Parlaments gestrickte, 1991 als Repräsentanz des Zentralamerikanischen Integrationssystems (SICA) ins Leben gerufene Zentralamerikanische Parlament mit Sitz in Guatemala-Stadt. Böse Zungen behaupten, es sei allein dazu da, den Präsidenten der acht beteiligten Staaten auch nach ihrer Amtszeit Straffreiheit zu sichern. Denn die Staatschefs bekämen mit ihrem Ausscheiden dort automatisch einen Abgeordnetensitz inklusive strafrechtlicher Immunität. Notorisch korrupte Präsidenten wie Arnoldo Alemán (Nicaragua, 1997–2002) hätten diese Chance schon ergriffen. Ansonsten seien Erfolge „Mangelware“. Von einer geplanten gemeinsamen Währung hat man aber nicht nur aus Inkompetenz die Finger gelassen, von einer Zollunion auch. So sei SICA, wie die 1948 gegründete Organisation Amerikanischer Staaten, „einer der vielen nutzlosen Staatenbünde Lateinamerikas“ geblieben.