© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/19 / 01. November 2019

Messen und Jagdfanfaren
Hubertustag: Die Parforcehornmusik hat viele Liebhaber und bietet Einblicke in den Barock
Walter Schulz

Die Barockkirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die mächtige Orgel erklingt. In Zweierreihen schreiten mit barockem Dreispitz, Jagdmantel und Reitstiefeln bekleidete Hornisten mit einem großen, ventillosen Horn auf der Schulter in Richtung Altar, gefolgt vom Geistlichen mit seinen Ministranten. Vor dem Altar halten die Bläser an, bilden mit Blickrichtung Altar einen zu den Gottesdienstbesuchern hin geöffneten Keil und fallen mit ihren Klängen an der musikalisch exakt richtigen Stelle ins Orgelspiel ein. Gänsehaut bei den Besuchern, das Stück heißt „Einzug“ und markiert den Beginn der sogenannten Hubertusmesse.

Was heute Gruppen von reiterlichen Vereinigungen und Jägervereinigungen auf dem ventillosen Es-Horn bieten, steht in einer sehr langen Tradition. Die ersten Anfänge des Hornblasens finden sich in der Steinzeit, als Jäger Tierhörner dazu verwendeten, um sich über weite Strecken zu verständigen.

Wann aus dem Signalhorn im Mittelalter ein Musikinstrument geworden ist, bleibt schwer zu datieren. Sicher ist, daß schließlich während des französischen Barocks – insbesondere unter Louis XIV. – die königlichen Parforcejagden zu Pferde zwar mit heutigen Augen alles andere als tierschutzgerecht waren, die Abende danach aber sehr prunkvoll gefeiert wurden und das Horn zentraler Bestandteil dieser Feiern war. Marquis de Dampierre, Hofkapellmeister von Louis XIV., schrieb zahlreiche Jagdfanfaren, die teilweise heute noch gespielt werden.

Die damals entstandene höfische Jagdmusik gelangte durch den böhmischen Grafen Franz Anton Sporck in den deutschen Sprachraum und verbreitete sich hier von Böhmen aus. Etwa mit der Französischen Revolution begann in Europa der Niedergang der höfischen Parforcejagden und damit auch der Musik auf dem Parforcehorn. Für viele Jahrzehnte konzentrierten sich die Jäger auf das Fürst-Pless-Horn, ein kleines B-Horn, das meist als Signalhorn genutzt wurde.

Adrette Aushängeschilder ihrer Vereine

Das Parforcehorn als konzertantes Instrument nahm dann in Österreich und Frankreich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erneut einen Aufschwung. Man begann, Musik für Hubertusmessen zu komponieren und aufzuführen.

In Deutschland dauerte es aber bis in die 1960er Jahre, bis sich Gruppen innerhalb von Jagd- und Reitvereinen etablierten, die auf dem „großen Horn“, dem Es-Horn, Messen und konzertante Stücke aufführten. Diese Entwicklung ist insbesondere dem Musikpädagogen und leidenschaftlichen Jäger Reinhold Stief aus Heidelberg zu verdanken. Er hat neben eigenen Kompositionen auch aus Frankreich stammende Messestücke so bearbeitet, daß sie von den damals oft noch im Anfängerstadium stehenden Gruppen vorgetragen werden konnten. Inzwischen ist sowohl bei den jagdlichen wie auch den reiterlichen Parforcehorngruppen das musikalische Niveau erheblich gestiegen. Dazu haben vor allem Berufshornisten beigetragen, die mit viel Engagement seit Jahren eine Fortbildungsveranstaltung nach der anderen abhalten.

Es gibt heute im jagdlichen Bereich eine lebhafte Szene von B-Hornbläsern, wo jagdliche Signale und Märsche im Vordergrund stehen. Hubertusmessen und konzertante Auftritte sind dagegen den Es-Horn-Gruppen vorbehalten. Auf diesem Parforcehorn stehen den geübten Bläsern drei Oktaven mit je nach Können in der Höhe bis zu 15 Tönen zur Verfügung – genug, um beeindruckende Stücke vierstimmig vorzutragen. Der Bläser entlockt dem Horn warme und festliche Töne, den besonderen Reiz machen aber die scharf geblasenen Parforce-Passagen aus. Die Hornisten tragen bei Auftritten häufig barocke Jagduniformen, bei rein jagdlichen Anlässen auch einen trachtenartigen Jagdanzug oder spielen in Zivil. In jedem Fall sind sie für ihre Vereine Aushängeschilder und für die Öffentlichkeitsarbeit Gold wert. Und nicht nur das: Tiefe Freundschaften zwischen französischen Jagdhornbläsern der Tromp du Chasse und deutschen Es-Horn-Gruppen bestehen oft schon seit vielen Jahren. Gemeinsame Konzerte links und rechts des Rheins sind hier längst gelebte Völkerverständigung.






Walter Schulz ist Geschäftsführer der DWJ Verlags-GmbH, die das Deutsche Waffen-Journal herausgibt.

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