© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Wrrruuuuuuuuhhhhhhhmmm
Leopard 2: Vor vier Jahrzehnten wird der legendäre Kampfpanzer in der Bundeswehr eingeführt / Neueste Version geht jetzt an die Truppe
Peter Möller

Die Erkenntnis, daß Katzen mehrere Leben haben, gilt nicht nur für das Tierreich. Dafür ist der Kampfpanzer Leopard 2, der in diesen Wochen sein 40. Jubiläum in der Truppe feiert, ein eindrucksvolles Beispiel. Denn die rund 225 stählernen Raubkatzen, die derzeit noch im Deutschen Heer ihren Dienst leisten, unterscheiden sich von ihren Artgenossen, die ab 1979 in einer Stückzahl von insgesamt 2.125 Exemplaren aus den Fabrikhallen in die Panzerbataillone der Bundeswehr rollten, teilweise erheblich. Grund hierfür ist die ständige Weiterentwicklung zentraler Bestandteile des „Leo 2“ im Zuge der stufenweise umgesetzten sogenannten Kampfwertsteigerung (KWS).

Dadurch wurde unter anderem die Feuerkraft erhöht, indem die Panzer ab 2001 mit einem längeren Rohr und leistungsstärkerer Munition ausgestattet wurden (Leopard 2A6), nachdem ab 1995 bereits der Schutz und die Nachtkampffähigkeit verbessert worden war (Leopard 2A5). Eine weitere, sehr umfangreiche dritte Stufe der KWS, durch die der Leopard 2 einen neuen Turm mit einer 140-Millimeter-Kanone und einer Ladeautomatik erhalten sollte, wurde 1995 zugunsten der Entwicklung der nächsten Panzergeneration („Neue gepanzerte Plattform“) gestrichen, aus der allerdings aufgrund der Sparmaßnahmen am Ende nur der Schützenpanzer Puma hervorgegangen ist.

Doch auch ohne neuen Turm und neue Kanone ist die Weiterentwicklung des Leopard 2 nicht stehengeblieben. Passend zum 40jährigen Jubiläum übergab der Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann in der vergangenen Woche in München die ersten Exemplare der neusten, technisch verbesserten Version des Kampfpanzers an die Bundeswehr, den Leopard 2A7V.  „Kennzeichen der neuen verbesserten Variante sind die Führungsfähigkeit und hohe Feuerkraft, der enorme Schutz gegen Panzerabwehr und die Agilität im Gefechtsfeld“, umriß der für den Leopard 2A7V zuständige Projektleiter der Bundeswehr, Oberstleutnant Jörg Schmerer die Vorzüge des Panzers. Dazu zählen unter anderem auch ein verbesserter Frontschutz der Wanne sowie eine wirkungsvollere Kühlung des Innenraumes.

Weckruf für den Westen nach dem Kalten Krieg

Bei dem Panzer vom Typ Leopard 2A7V, von denen das Heer zunächst 104 Exemplare erhält, handelt es sich indes wie bei den vorausgegangenen Modernisierungen nicht um Neubauten, sondern um komplett modernisierte ältere Fahrzeuge vom Typ Leopard 2A4, die die Bundeswehr im Zuge ihrer Schrumpfkur an die Industrie zurückgegeben hatte. Hintergrund für die nun laufende Rückholaktion ist die von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) 2015 getroffene Entscheidung, angesichts der sich durch die Ukraine-Krise veränderten Sicherheitslage, die von ihrem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) 2013 festgelegte Obergrenze von 225 Kampfpanzern auf 328 Exemplare anzuheben (JF 11/15). Trotz aller Maßnahmen zur Kampfwertsteigerung des Leopard 2: Alle waffentechnischen Weiterentwicklungen im Panzerbau konnten nicht nachvollzogen werden. Zudem haben die bisherigen Maßnahmen dazu geführt, daß die „Raubkatze“ ordentlich an Gewicht zugelegt (insgesamt neun Tonnen) und dadurch an Beweglichkeit eingebüßt hat. Moderne Entwicklungen wie der russische Kampfpanzer T14 Armata, der 2015 der Öffentlichkeit präsentiert wurde und sich unter anderem durch einen unbemannten Turm mit ferngesteuerter Waffenanlage auszeichnet und dadurch mit einer auf drei Mann reduzierten Besatzung (Leopard 2: vier Mann) auskommt, haben neue Maßstäbe gesetzt. 

Gleichzeitig erhöht die Unterbringung der kompletten Besatzung in der vom Turm und den Munitionsvorräten abgeschirmten Panzerwanne die Überlebenschancen der Besatzung erheblich. Aus sicherheitspolitischer Sicht viel gravierender ist indes die Bewaffnung des T14, der mit einer 125-Millimeter-Kanone ausgestattet ist, die später durch eine 152-Millimeter-Kanone ersetzt werden soll. Damit wäre er dem Leopard 2 mit seiner 120-Milimeter-Glattrohrkanone eindeutig überlegen.

Experten sprachen daher von einem Weckruf für den Westen, der nach dem Ende des Kalten Krieges die Entwicklung neuer Kampfpanzer vernachlässigt habe. Doch ganz neu sind die Ideen der russischen Panzerbauer nicht: Das Grundkonzept des russischen Panzers basiert auf Konzepten, die teilweise schon vor 30 Jahren im Westen entwickelt und schon getestet wurden, insbesondere im Zusammenhang mit der „Neuen gepanzerten Plattform“ Mitte der neunziger Jahre in Deutschland.

Bereits vor dem Auftauchen des russischen Wunderpanzers wurden die Weichen für die Entwicklung eines Nachfolgers des Leopard 2 gestellt. Bereits seit 2012 arbeiten deutsche und französische Unternehmen gemeinsam am sogenannten „Main Ground Combat System“ (MGCS), das nach jetzigen Planungen ab 2038 die Kampfpanzer Leopard 2 und Leclerc ersetzen soll. Dabei wird der bereits von den Russen eingeschlagene Weg beschritten: „Fest steht, ein neuer Kampfpanzer wird mehr Feuerkraft haben, und es gibt eine Ladeautomatik statt einem Ladeschützen“, zitierte die Welt einen anonymen Branchenexperten. Derzeit tobt zwischen deutschen und französischen Konzernen ein Wettstreit um die künftige Kanone des Panzers, deren Kaliber sich im Vergleich mit dem Leopard 2 deutlich erhöhen dürfte.

Angesichts der durchwachsenen Erfahrungen mit internationalen Rüstungsprojekten zeichnet sich für den bewährten Leopard 2 kein schnelles Ende ab. Derzeit wird bereits über eine weitere Kampfwertsteigerung für 2025 nachgedacht, um den Panzer für die Zeit bis zur Ablösung durch eine Neuentwicklung konkurrenzfähig zu halten. Und für den Fall, daß das deutsch-französische Panzerprojekt scheitert, wird sogar eine Neuentwicklung auf Basis zentraler Bestandteile des Leopard 2 für möglich gehalten. Die Geschichte des erfolgreichsten Kampfpanzers der Nachkriegsgeschichte, von dem bis heute etwa 3.300 Stück produziert wurden und der demnächst mit der Lieferung der ersten neuen „Leo 2“ an Ungarn von 19 Nationen genutzt wird, ist also auch ein halbes Jahrhundert nach Beginn seiner Entwicklung noch nicht am Ende angekommen.

Die Raubkatze ging       stets als Sieger hervor

Der Leopard-2-Experte Rolf Hilmes hat unterdessen zum Jubiläum auf ein wenig bekanntes Geheimnis für den Erfolg des Dauerbrenners hingewiesen: Um an einer Vergleichserprobung mit dem ebenfalls in der Entwicklung befindlichen amerikanischen Kampfpanzer XM-1 teilnehmen zu können, mußte das Konzept des deutschen Kampfwagens Mitte der siebziger Jahre maßgeblich geändert und überarbeitet werden, um den amerikanischen Anforderungen zu entsprechen. Mit durchschlagendem Erfolg, wie Hilmes deutlich macht: Bei allen Vergleichswettbewerben ging der „Leo 2“ seitdem gegen den amerikanischen M 1 Abrams als überlegener Sieger hervor.